Übersicht

Zur Entdeckung einzelner Parasiten

Malaria - Erreger - Impfstoff
Kurzfassungen des Buches
Peter Wenk: Wie wird Malaria übertragen?

Heute eine fast überflüssige Frage: Durch den Stich einer Mücke! Selbst ihren zoologischen Namen, Anopheles, kennt jedermann, der sich dafür auch nur ein wenig interessiert. Dies herauszufinden, kostete Ronald Ross (1857 – 1932), der als Arzt im englischen Kolonialdienst in Indien die entscheidenden Experimente machte, unsägliche Anstrengungen. Bei verschiedenen Urlaubsaufenthalten in England musste ihn Patrick Manson (1944 – 1922) , ebenfalls ehemaliger Kolonialarzt, 1893 erst überzeugen, dass die von Laveran 1881 beschriebenen Stadien der Plasmodien in den roten Blutzellen, den Erythrozyten, tatsächlich die Erreger sind – ohne den Nachweis der Übertragung war das ja noch nicht ganz sicher – und man musste ihm erst einmal zeigen, wie man diese im Blut eines Kranken (nach Färbung mit Borax-Methylenblau) überhaupt findet.

Manson hatte 1875 bis 1885 in China Elefantiasis, eine Filariose untersucht und nachgewiesen, dass die Larven des Fadenwurmes, die Mikrofilarien, in Stechmücken eine weitere Entwicklung durchlaufen. Die im Blut des Patienten zirkulierenden Mikrofilarien durchbrachen die Darmwand der Mücke, gelangten in deren Thorax und fanden sich nach etwa 10 Tagen, inzwischen mehrfach grösser und mit einem Darm versehen, im Stechrüssel wieder. Manson war sich klar: Im Patienten selbst konnten die Mikrofilarien nicht zu den erwachsenen Würmern werden, von denen sie offenbar herstammten, dazu waren es zu viele. Aus dem Blut konnten die Larven aber, so sine Vermutung, nur nach Aufnahme durch einen Blutsauger in einen neuen Wirt gelangen. Die neuerliche Übertragung, so stellte er sich vor, sollte über das Trinkwasser erfolgen.

Ross arbeitete sich in die Materie ein und schrieb kurz darauf einen Artikel, für den er eine goldene Medaille und 75 Guineen Preisgeld erhielt. Davon kaufte er sich ein Reisemikroskop – man kann sich vorstellen, was es optisch leistete – und nahm sich vor, in Indien die „Moskitotheorie“ Mansons zu prüfen. Eigentlich hätte der Schluss, dass die weitere Übertragung beim neuerlichen Blutsaugen der Stechmücke erfolgt, auf der Hand liegen müssen. Doch diese letzte Tür zur Wahrheit war mehrfach versperrt.

Den ersten Riegel bildeten die Erkenntnisse zweier damals noch rivalisierender neuer Wissenschaften, nämlich der Bakteriologie und der Hygiene. Gerade erst hatten Robert Koch und sein wissenschaftlicher Gegenspieler Max von Pettenkofer deren Bedeutung für die Übertragung von Infektionskrankheiten gezeigt. Ross hatte sich als Arzt sowohl in Bakteriologie als auch in Hygiene weitergebildet und kannte die Wichtigkeit sauberen Trinkwassers.

Den zweiten Riegel bildeten die damaligen Vorstellungen, die man sich von der Lebensweise der Stechmücken machte: Hinfällige Wesen, die nach dem Blutsaugen ihre Eier ins Wasser ablegten, wo sich ihre Larven und Puppen entwickelten. Sie selbst starben danach, was man bei jedem Versuch Stechmücken länger zu halten, sehen konnte.

Somit schien es so gut wie sicher: Auch diese Infektionskrankheiten mussten sich über das Trinkwasser ausbreiten. Daraus ergab sich der experimentelle Ansatz. Ross versuchte Stechmücken an infizierten Menschen zu füttern und dann in Reagensgläschen mit etwas Wasser zu halten. Mit dem kontaminierten Wasser sollte dann die Infektion beim Trinken desselben übertragen werden. Es klingt einfach, aber in der Praxis bedeutete das zwei Experimente mit Menschen. Und dann: Stechmücken unter kontrollierten Bedingungen zum Saugen zu bringen, man versuche es einmal selbst. Sie seien „störrisch wie Esel“, schrieb Ross an Manson, mit dem er ständig in brieflichem Kontakt blieb. An tägliche Aktivitätsrhythmen dachte niemand, schon gar nicht bei Stechmücken, obwohl man meistens im Schlaf von ihnen geplagt wurde. Ein mehrmaliges Blutsaugen mit jeweils Flug zum oft entfernten Brutgewässer zur Eiablage und zurück, lag außerhalb aller Vorstellungen. Manson empfahl die Stechmücken zu zerreiben und in Wasser aufzuschwemmen; als das nichts half, deren Eier einzubeziehen. Als alle derartigen Versuche scheiterten, entschloss sich Ross, erst einmal die vermutete weitere Entwicklung der Plasmodien in der Mücke zu verfolgen. Anstatt zu versuchen, den Abgrund durch ein Übertragungsexperiment mit einem Schritt zu überspringen, wollte er schrittweise vorgehen, gewissermaßen eine Brücke schlagen.

Auf diesem Wege lauerten zahlreiche Fallgruben. Erstens: Die Spezifität der Stechmücken: Nur wenige Arten übertragen Malaria. Obendrein erfuhr ein Mediziner in seiner Ausbildung nichts über Stechmücken oder gar deren innere Anatomie, um einen protozoischen Zellparasiten in deren Geweben auffinden und verfolgen zu können. Ferner entwickeln sich nur die geschlechtlich differenzierten Stadien der Plasmodien im Magen der Mücke weiter und diese sind bei Malaria tropica, der in Indien häufigsten Form, nicht zu jeder Zeit im Blut vorhanden. Endlich gibt es mehrere Arten von Plasmodien, die sich in dieser Hinsicht unterschiedlich verhalten.

Von seinen Vorgesetzten wurde Ross nicht unterstützt. Er habe sich um die Patienten, nicht um Mücken zu kümmern und Maßnahmen zu treffen, um Epidemien vorzubeugen. Er wurde immer wieder versetzt, mitunter bewusst an Orte, wo es keine Malaria gab. Das traf ihn sogar just in dem Augenblick, als er erstmals am 20. August 1897 in Secundarabad das Heranwachsen einer Oozyste an der Magenwand bei zwei von zehn aus Larven gezüchteter und erfolgreich an einem Malariakranken gefütteter Mücken entdeckt hatte. Er schickte die zwei Moskitomägen hoch versichert an Manson mit einem freudigen Brief, er hoffe innerhalb weniger Wochen den ganzen Entwicklungsgang in der Mücke zu kennen. Damit könnten zahlreiche Menschenleben erhalten „ja ganze Kontinente der Zivilisation erschlossen werden.“

Tags darauf wurde er telegraphisch angewiesen sich augenblicklich in den Norden nach dem einige tausend Meilen entfernten Kherwara in der Provinz Rajputana zu begeben. Als man ihm erzählte, dort gäbe es keine Malaria, bat er um Rückversetzung nach Secundarabad, um seine Malariastudien fortsetzen zu können. Darauf erhielt er einen Verweis. Da seine Pensionierung in sieben Monaten anstand, entschloss er sich, um diese einzukommen, um als Privatmann weiter zu arbeiten. Statt dessen wurde er nach Kalkutta versetzt mit der (scheinheiligen) Instruktion Untersuchungen auf Malaria und Kala Azar, die man als besonders schwere Form der Malaria ansah, anzustellen, was im Klartext hieß, als Pathologe zu arbeiten.

In Kalkutta bezog er das bakteriologisch gut eingerichtete Laboratorium von Prof. D.D. Cunningham, der nach 14 Jahren Arbeit als Physiologe über Cholera krankheitshalber nach England zurückgekehrt war. Es gab reichlich Stechmücken aller Art, die allerorten in Pfützen brüteten, aber keine Patienten mit Malaria, ein deutlicher Hinweis dafür wie die Versetzung gemeint war. Ronals Ross gab sich nicht geschlagen, sondern nutzte diesen Umstand: Er untersuchte wie schon früher das Blut von Vögeln. In Krähen und Tauben fand er Haemoproteus columbae, damals Halteridien genannt. Bei ihnen erscheinen nur die geschlechtlichen Formen im Blut, was für Übertragungsversuche von Vorteil ist. Lerchen und Spatzen beherbergten Proteosoma spec. Diese stellt man heute zu den Haemosporidien, also in die gleiche Unterordnung wie die Plasmodien, und sie lassen sich somit mit menschlicher Malaria direkt vergleichen. Offen blieb, welche Art von Stechmücken diese beiden Vogelparasiten überträgt; heute würde man hinzufügen, ob es nicht auch ganz andere Blutsauger sein könnten. Andererseits konnte Ross in seinen Versuchen jetzt hunderte von Steckmücken einsetzen und nicht nur zehn, wie bei seinem letzten entscheidenden Versuch in Secundarabad.

Die Vögel sollten die infizierten Mücken verschlucken, obwohl sich weder Krähen noch Tauben, Lerchen und Spatzen von Insekten ernähren. Die Trinkwassertheorie war immer noch gültig. Erst als Ross nach diesem Rückfall in alte Vorhaben (Nachweis in einem Schritt) erneut die stufenweise Entwicklung auch dieser Parasiten in den Mücken geduldig untersuchte, gelang ihm die entscheidende Beobachtung, die ihn von der Trinkwassertheorie befreite. Die Zysten an der Magenwand der Moskitos leerten sich nach einigen Tagen, platzten wahrscheinlich, und ihr Inhalt, massenhaft Fäden, die er richtig als Sporen (heute Sporozoiten) deutete, gelangte offenbar in den „Blutkreislauf“ des Insekts. Er suchte weiter und fand sie in einer großen Zelle im Thorax wieder. Die Sporozoiten nahmen an Zahl zu, je näher sich eine solche Zelle in der Nähe des Kopfes befand. Hier lagen zahlreiche große Zellen, die, an einen Ausführungsgang angeheftet, von einer Kapsel umschlossen waren; sie bildete offenbar eine Art Drüse. In deren Zellen lagen Hunderte von Sporen. Wahrscheinlich ging der Ausführungsgang direkt in den Kopf. „Tausend zu eins gewettet, handelt es sich um die Speicheldrüse. Malaria wird vom kranken Menschen oder Vogel auf gesunde übertragen von einer bestimmten Mückenart, und zwar durch den Stich derselben.“ Es handelte sich um die beiden dreilappigen Speicheldrüsen im Thorax der Mücke, deren zuletzt gemeinsamer Ausführungsgang an der Spitze des Stechrüssels mündet. Ross war erschöpft und fast blind vom Mikroskopieren. In weiteren Versuchen konnte er bei gesunden Vögeln nach dem Stich infizierter Mücken die Parasiten alsbald in deren Blut finden.

Am 25.7.1898 telegraphierte Ross seine Entdeckung an Manson; dieser trug sie am 28.7. der British Medical Association auf deren Tagung in Edinburgh vor. Am 20.8. erschien ein kurzer Artikel in Lancet; der ausführliche Vortrag Mansons im British Medical Journal am 24.9.1898. Alle Beteiligten waren sich der Bedeutung dieser Befunde bewusst. Trotzdem kann man von solcher Beförderung eines Manuskriptes heute nur noch träumen.

Das eigentliche Zentrum der Malariaforschung befand sich damals in Rom. Dort arbeitete Prof. Giovanni Battista Grassi (1854 – 1925) über die verschiedensten Parasiten, ab 1889 vorwiegend mit Malaria, also erst kurz nach der Entdeckung von Ross. Zusammen mit seinem Mitarbeiter Feletti schlug er 1890 die heute noch gültigen Artnamen für die damals bekannten drei Erreger der Malaria vor: Malaria tertiana (Dreitagefieber) Plasmodium vivax, Malaria quartana (Viertagefieber) Plasmodium malariae und Malaria tropica (unregelmäßiges Fieber) Plasmodium immaculatum (heute falciparum) vor. Seine Arbeitsbedingungen waren, verglichen mit denen von Ross, geradezu ideal. In der unmittelbaren Umgebung von Rom, in der damals noch reichlich sumpfigen Campagna gab es reichlich Malaria sowie jede Menge Mücken. Sein Lehrstuhl für Vergleichende Anatomie umfasste auch die Zoologie, damals allgemein in der Medizin angesiedelt. Laveran, Manson und auch Ross besuchten ihn, um ihre Forschungsergebnisse mit ihm zu diskutieren. Rom lag am Weg von Indien durch den 1869 vollendeten Suez-Kanal nach England. Sein Mitarbeiter Amico Bignami (1882 – 1929) entdeckte im November 1898, dass nur die Mücken der Gattung Anopheles menschliche Malaria übertragen. Wie diese Entdeckung im einzelnen zustande kam, ist nicht ganz klar. Dem Vernehmen nach arbeitete er lange Zeit erfolglos mit Mücken der Gattung Culex, bis mangels Material auch einmal Anopheles herangezogen wurde. Die in der Campagna wichtigste Überträgerart A. maculipennis (syn. claviger) brütet nur in Seen und Teichen mit reinem Grundwasser, die unverdächtig schienen. Schließlich bedeutet mal d’aria schlechte Luft und üble Ausdünstungen der Sümpfe galten seit Jahrhunderten als Ursache des „Sumpffiebers“.

Zusammen mit Grassi und Bastianelli untersuchte Bignami die Entwicklung von Plasmodium falciparum in A. maculipennis. Ausserdem verdanken wir diesem Arbeitskreis grundlegende Untersuchungen über die Klinik und Pathologie verschiedener Formen der Malaria. Zusammen mit den Italienern Celli, Golgi, Grassi, Marchiafava und anderen arbeitete Bastianelli den gesamten Entwicklungszyklus der Plasmodien im Menschen und der Mücke aus. Allerdings blieb offen, wo sich die Plasmodien in den Tagen bis Wochen aufhalten, bevor sie nach dem infektiösen Stich im zirkulierenden Blut erscheinen. Nach intravenöser Injektion, etwa bei den damals gebräuchlichen Kanarienvögeln oder Hühnern, vermehren sie sich sofort in den roten Blutzellen. Man spricht bis heute von der „exoerythrozytären“ Entwicklung, und erkannte schließlich, dass diese gewebeparasitäre Phase bei Vögeln in Wandzellen der Blutgefäße, bei Säugetieren in Parenchymzellen der Leber abläuft.

Am 3. November 1902 wurde der zum zweiten Mal ausgegebene Nobelpreis für Medizin Ronald Ross zuerkannt. Daraufhin meldete Grassi ebenfalls Ansprüche auf den Preis an und es entspann sich ein hässlicher Prioritätsstreit. Die formal ausgezeichnete originale Publikation von Ross liest sich über lange Strecken wie eine Streitschrift zu diesem Thema. Heute würde der Preis an beide gehen. Nach den Statuten sollte der Preis in den jeweiligen Fachgebieten denjenigen zuerkannt werden, die „im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen gebracht haben“. Mehr als drei Preisträger dürfen es in einem Fach nicht sein. Dass Forschungsergebnisse in der Regel aus der Zusammenarbeit eines Teams hervorgehen und nicht in einem bestimmten Jahr abgeschlossen werden, hatte Nobel in dem handschriftlichen Testament auf einer Seite kaum bedacht. Diese Verleihung blieb bis heute der einzige Nobelpreis für eine entomologische Arbeit, d.h. eine Untersuchung an Insekten. Offensichtlich glaubte man im entscheidenden Kreis, wie Ross selbst auch, damit sei das Problem der Malaria prinzipiell gelöst. Den Nobelpreis für Medizin erhielt Laveran erst 1907, und zwar „als dem Schöpfer der Pathologie der Protozoen“.

Die eigentliche Leistung, nämlich die Überwindung eines unbewussten aber irrigen Leitgedankens, ich möchte es ein Irrbild nennen, bei der Malaria vollbrachte 1898 als erster und alleine Ronald Ross. Betont sei: Bei der Malaria, denn vorangegangen waren Theobald Smith und F.L. Kilborne bereits 1893. Sie erarbeiteten experimentell und beschrieben erstmals ausführlich die durch Zecken bewerkstelligte obligatorische Übertragung von Babesia bigemina, den Erreger einer protozoischen Hämoglobinurie des Rindes, den sie auch entdeckt hatten. Nicht über kontaminierte Erde der Weiden, wie allgemein angenommen, sondern ausschließlich durch das Blutsaugen von Schildzecken, in denen sich das Protozoon entwickelt, wird das Rind von der Krankheit angesteckt. Es bleibt zu wünschen, dass auch andere bis heute herumspuckende Irrbilder über die Natur der Malaria schließlich überwunden werden.


Literatur

Grassi GB, Bignami A, Bastianelli G. (1898) Coltivazione della semilune malariche dell ’huomo nell ’Anopheles claviger Fabr. (sinonimo A. maculipennis Meig.). Atti Accad.die Lincei vol. 295, 5. ser., Bd.7, sem. 2, pg. 313-14.

Ross R. (1905) Untersuchungen über Malaria. Aus dem Englischen übersetzt von C. Schillings. G. Fischer, Jena

Smith T, Kilborne Fl. (1893) Investigations into the nature, causation and prevention of Texas or southern cattle fever. Bull. Bur. Anim. Ind. US Dept. Agric. pp 1-301.

Übersicht zur Übersicht

nach oben
Malaria - Erreger - Impfstoff
Zur Entdeckung einzelner Parasiten
Kurzfassungen des Buches