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Malaria - Überträger - Impfstoff
Kurzfassungen des Buches
Peter Wenk: Malaria
Schon im Altertum vermutete man einen Zusammenhang zwischen dem Wechselfieber und Sümpfen. Deren üble Ausdünstungen – mal d’aria schlechte Luft – galten als Ursache. Mehrere deutsche Kaiser und ihre Heere erlagen der Krankheit auf den Kriegszügen nach Italien. Unter den Sachsenkaisern vernichtete die Malaria 2 Heerzüge, unter den Saliern 3 und unter den Staufern sogar 5. Barbarossa musste 1167 die Belagerung Roms aufgeben, kam nur mit einem Rest seines Heeres zurück und konnte 7 Jahre lang kein Heer mehr nach Italien führen. Rainald von Dassel, Friedrich IV von Schwaben und Welf VIIi waren gestorben (Plötz S 474).

Renaudin berichtete 1763 bis 1772 über die Häufigkeit der regelmäßig im Sommer auftretenden intermittierenden Fieber in Straßburg. Auf 100 Fieberkranke kamen 80 mit Malaria tertiana und einige mit M. quartana. Die Sterbequote (Letalität) konnte 40% erreichen.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war Malaria auch in den nördlich gemäßigten Breiten endemisch, vor allem in den Flußlandschaften mit regelmäßigen Überschwemmungen im Frühjahr. Die nördliche Verbreitungsgrenze schloss die Murmanküste ein und verlief durch Sibirien. Erst die Flussbegradigungen (Ober-Rhein durch Tulla 1817 – 1876) und andere zivilisationsbedingte Veränderungen drängten die Malaria in die Subtropen (Mittelmeerländer, Nordafrika, Vorderasien) ab. Gezielte Bekämpfung, vor allem der Überträger mit Insektiziden, beschränkte sie schließlich auf den Tropengürtel der Erde. Dort hält sie sich nach wie vor unangefochten und bedroht vor allem 80 - 90 % aller Kinder unter 15 Jahren. Keine bakterielle Infektionskrankheit erreicht derartige Ausmaße nur entfernt.

Seit über hundert Jahren bemühen sich sich Forscher und Organisationen, die Malaria auch in den Tropen in den Griff zu bekommen. Dabei handelt es sich um eine der bekanntesten Infektionskrankheiten überhaupt. Trotzdem sind die Vorbeugung, die Therapie und die Bekämpfung der Malaria ein nur lückenhaft gelöstes Problem. Der Erreger ist bekannt, genau genommen handelt es sich um vier verschiedene Arten eines Genus. Es stehen wirksame Medikamente zur Verfügung. Doch diese haben vor allem bei längerer Einnahme erhebliche Nebenwirkungen, die Plasmodien werden gegen sie resistent und die Kosten der erforderlichen Dauermedikation wären untragbar. Mitteleuropäer holen sich die Infektion auf einer Tropenreise, wenn sie dabei von einer Mücke gestochen werden, die darum als Malaria-Mücke bzw. wissenschaftlich Anopheles bezeichnet wird. Sie überträgt die Krankheit beim Blutsaugen, die Erreger leben in den roten Blutkörperchen. Eine Malaria verläuft anders, als man es von einer bakteriellen Infektion erwartet. Das Fieber setzt erst nach mehreren Wochen ein, es erscheint anfallsweise d.h. periodisch alle 48 bzw. 72 Stunden (Malaria tertiana bzw. Malaria quartana), die Anfälle werden chronisch und enden schließlich von selbst. Allerdings kann man unmittelbar danach erneut infiziert werden. Beim Dreitagefieber kann man noch nach Jahren einen Rückfall erleben. Die in den Tropen am häufigsten vorkommende Form (Malaria tropica) erzeugt andauerndes Fieber.

Malaria gilt als eine tropische Infektionskrankheit, die periodische Fieberanfälle auslöst und deren Erreger in den roten Blutzellen kreisen. So knapp formuliert, lauter Halbwahrheiten, die mitunter lebensgefährlich werden können.


Wie wurde der Erreger entdeckt?

Louis Pasteur (1822 – 1895) und Robert Koch (1843 – 1910) hatten unabhängig von einander experimentell nachgewiesen, dass ansteckende Krankheiten von normalerweise unsichtbaren, d.h. allenfalls nur mikroskopisch erkennbaren Lebewesen verursacht werden können , z.B. von den seit 1676 von Leeuwenhoek (1632 - 1723) beobachteten Bakterien. Pasteur erkannte, dass eine Mikrosporidie Nosema bombycis eine in Frankreich 1865 seuchenhaft auftretende Fleckenkrankheit (Pebrine) der Seidenraupen verursacht. Koch erkannte 1876 ein Bakterium, Bacillus anthracis als Erreger des Milzbrandes. Was lag näher, als auch im Falle der Malaria Bakterien als Erreger anzunehmen. Prompt glaubten einzelne Forscher ein Bacterium malariae gefunden zu haben. Nur mit dem Beweis nach den Kriterien, die Robert Koch und sein Lehrer Jakob Henle für den Nachweis einer Infektionskrankheit aufgestellt hatten, haperte es.

Die heute noch gültigen Henle-Koch’schen Postulate fordern, dass 1. der als Erreger angesehene Mikroorganismus in jedem Krankheitsfall, d.h. ausnahmslos nachweisbar sein muss. 2. Dieser Organismus muss in vitro züchtbar d.h. kultivierbar sein, um zu beweisen, dass es sich um ein vermehrungsfähiges Lebewesen und nicht um ein beim Versuch der Zucht sich verdünnendes Gift (Toxin) handelt. 3. Mit diesen über mehrere Generationen gezüchteten Organismus muss die Erkrankung, d.h. ihre typischen Symptome bei einem bisher gesunden Wirtsorganismus wieder hervorgerufen werden.

Diese Bedingungen waren mit den damaligen technischen Möglichkeiten mit dem Erreger der Malaria nicht zu erfüllen.

Nach dem Krimkrieg (1854 – 1856), während dem weit mehr Soldaten ihr Leben durch epidemische Infektionskrankheiten als durch feindliche Waffen verloren hatten, führte man in der französichen Armee Militärärzte ein. Sie waren Pathologen, hatten zu untersuchen, woran die Soldaten gestorben waren, wenn keine Waffeneinwirkung erkennbar war und bei Epidemien vorbeugende Maßnahmen zu veranlassen. Ihr Berufsbild entsprach somit nicht dem eines Arztes, der sich zuerst um die Verletzten zu kümmern hatte. Dementsprechend war auch ihre Notwendigkeit bei den Militärs lange umstritten. Alfonse Laveran (1845 – 1922), Sohn eines solchen Militärarztes, eröffnete nach seinem Studium der Medizin in Strasbourg keine Praxis, sondern ging ebenfalls zum Militär und wurde 1878 nach Algerien abkommandiert. Dort beschäftigte er sich mit Malaria und untersuchte Verstorbene, wie es einem Pathologen zukommt. Er interessierte sich für die dunklen Pigmentkörnchen, die in den Wandzellen der Blutgefäße der Leber, aber auch des Gehirns schon andere vor ihm beobachtet hatten. Das Mikroskop war in der Medizin ein relativ neues, aber nach den Entdeckungen von Koch und Pasteur ein wichtiges, ja zum Forschen unentbehrliches Instrument geworden. So beobachtete er, ebenfalls nicht als erster, die fraglichen Pigmentkörnchen auch in Blutzellen von an Malaria verstorbenen Soldaten, und zwar in den weißen Blutzellen, den Leukozyten. Das veranlasste ihn, auch bei einem Fieberkranken einmal das nunmehr lebend entnommene Blut zu untersuchen. Blut war das einzige Gewebe, abgesehen von der Haut, das man damals von einem Patienten bekommen konnte ohne seinen Tod abwarten zu müssen.

Natürlich untersuchte er das Blut frisch, nativ, nicht als gefärbten Ausstrich, wie heute üblich. Bis der Blutstropfen auf einen Objektträger gebracht, mit einem Deckglas versehen und das Mikroskop bzw. sein Spiegel zur Beleuchtung mit Sonnenlicht eingestellt war - die eleganten Revolver zum Wechseln des Objektives gab es längst noch nicht - vergingen vielleicht zehn Minuten. Dann sah Laveran erstmals am 6.11.1880 etwas höchst Ungewöhnliches: In dem Blutfilm aus roten Blutkörperchen gab es einzelne Stellen, wo sich das Blut bewegte, gewissermaßen kleine Nester von herumwirbelnden Blutkörperchen. Das konnten keine Bakterien erzeugen; die waren dazu zu klein. Waren es die gesuchten Erreger der Malaria? Dann durfte die Erscheinung nur bei an Malaria Erkrankten auftreten.

Laveran ging der Sache nach und fand, dass die Bewegung von kleinsten Fäden ausging, die von einer amöbenähnlichen Zelle ausschwärmten, die man bisher für einen Leukozyten gehalten hatte. Er nannte den Erreger darum Plasmodium und gab ihm den Artnamen vivax von lateinisch vivere leben, was ausdrücken sollte, dass sich das Plasmodium heftig bewegte. Leider ist der Artname später an ein anderes Plasmodium gegeben worden, als man entdeckt hatte, dass davon mehrere Arten existierten. Der von ihm erstmals beobachtete Erreger heißt heute Plasmodium malariae Laveran 1881. Dass es sich wirklich um den gesuchten Erreger handelte, war mit den Methoden der Bakteriologie, den Henle-Koch’schen Postulaten, wie gesagt, nicht zu erreichen. Laveran musste seine Beobachtung vielfach wiederholen; sollten keine Fehler auftreten, musste das Blut, wie wir heute wissen, in jedem Falle während eines Fieberanfalls entnommen werden und der Patient durfte zuvor nicht mit Chinin behandelt worden sein. Seine Beobachtungen ließ sich Laveran von seinem Kollegen Villeneuf bestätigen. Dann erst teilte er sie in Briefen der Akademie der Wissenschaften in Paris mit. Das wissenschaftliche Zeitschriftenwesen war noch nicht so weit entwickelt wie heute.

Was hatte Laveran eigentlich beobachtet? Es war das Ausschwärmen der männlichen Gameten aus einer Vorläuferzelle. Man nennt den Vorgang Exflagellation und er findet beim normalen Ablauf des Geschehens im Darm der Mücke statt, wenn diese die Vorstufen der männlichen und weiblichen Geschlechtszellen, die Gamonten, beim Blutsaugen aufgenommen hat. Er setzt ein, wenn das Blut sich abgekühlt hat und eben dies geschieht auch auf dem Objektträger etwa nach 10 bis 20 Minuten, die Zeit, welche verstrich, bis Laveran alles gerichtet hatte. Mancher Malariaforscher sieht dieses Ereignis sein ganzes Leben lang nicht, so ungewöhnlich sind seine Bedingungen.

Die geschilderte Beobachtung machte Laveran erstmals im Militärhospital von Konstantine in Algerien. Robert Koch hatte den Erreger des Milzbrandes erst vier Jahre zuvor während seiner Tätigkeit als Landarzt in Wollstein in Posen erkannt. So stieß der Bericht von Laveran zunächst auf Skepsis. Erst als Camillo Golgi 1884 – 93 mit Hilfe von Färbungen, die der Apotheker Gustav Giemsa am Tropeninstitut in Hamburg entwickelt hatte, die Abfolge der Plasmodienstadien im Blut 1885 eingehend beschrieben hatte, verstummten die Zweifel. Selbst ein so ausgezeichneter Malariaforscher wie Giovanni Grassi in Rom glaubte noch 1887 nicht daran. Von ihm ist im Zusammenhang mit der Übertragung durch Stechmücken noch die Rede. Die Akademie der Wissenschaften in Paris bestätigte die Entdeckung Laverans 1889 und wählte ihn 1895 zu ihrem Ehrenmitglied.

War damit, wenigstens was den Erreger der Malaria angeht, die Sache klar? Keineswegs! Es sollte noch über hundert Jahre dauern, bis alle bei den Plasmodien des Menschen vorkommenden Stadien und damit auch ihre Bedeutung für den Verlauf der Erkrankung bekannt waren. Die gewebeparasitäre Phase fanden Reichenow und Mudrow 1943, 1944 bei der Vogelmalaria, Shortt und Garnham 1948, 1949 bei den menschlichen Plasmodien. Allerdings postulierten sie sich wiederholende Merogoniezyklen, wie sie im zirkulierenden Blut stattfinden. Dies konnte erst mit Hilfe fluoeszenz-markierter monoklonaler Antikörper widerlegt werden. Krotoski und Mitarbeiter entdeckten ein Ruhestadium in Leberzellen, den Hypnozoiten 1982 erstmals bei P. cynomolgi, einem Plasmodium von Affen. Erst das Elektronenmikroskop ermöglichte es, die Plasmodien anhand von ultrastrukturellen Organellen zweifelsfrei in das natürliche System der Organismen einzuordnen. Die Plasmodien gehören zu den Sporozoen (syn. Apikomplexa), welche - abgesehen von den prototypischen Formen - ausschließlich Zellparasiten sind.

Laveran musste sich somit zuerst von der allgemein anerkannten Vorstellung lösen, die Ursache von Infektionskrankheiten seien in jedem Falle Bakterien und sich erneut auf die reinen Fakten beschränken, d.h. diese erst einmal zu reproduzieren versuchen. Seine zuerst zufällige Beobachtung wiederholte er systematisch und kam zu der Einsicht, dass ein Protozoon, nicht ein Bakterium der Erreger der Malaria sein müsse. Worin besteht der Unterschied zwischen einem Bakterium und einem Protozoon und zwar nicht nur hinsichtlich der allgemeinen Organisation, sondern hinsichtlich der Natur der erzeugten Krankheit?

Diese Frage wird, wie wir sehen werden, bis heute nicht gebührend ernst genommen.

Laveran erhielt 1907 den Nobelpreis für Medizin „als dem Schöpfer der Pathologie der Protozoen“. Zuvor hatte aber der Engländer Ronald Ross, Arzt der Kolonialtruppen in Indien, 1902 bereits den Nobelpreis für Medizin für die Entdeckung der Übertragung der Malaria durch Stechmücken bekommen. Offensichtlich maß man dieser Entdeckung die größere Bedeutung bei, obwohl sie mit Hilfe von Experimenten an Vögeln gemacht worden war.
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