Epidemisch auftretende bakterielle und virale Infektionskrankheiten wie Diphtherie, Masern, Tetanus (Wundstarrkrampf) u.a. können durch vorbeugende Impfungen mit einer Vakzine zumindest in Ländern mit ausreichender Infrastruktur sicher kontrolliert werden. Die Pocken wurden auf diese Weise bis 1977 sogar weltweit ausgerottet. Nachdem die durch Insekten übertragenen zumeist tropischen Parasitosen alleine durch massive Bekämpfung ihrer Überträger bzw. Zwischenwirte nicht zu beherrschen waren, versuchte man auch bei diesen eine Impfprophylaxe zu entwickeln. Die molekularbiologischen Techniken beflügeln erneut die Bestrebungen vor allem gegen Malaria eine Vakzine zu entwickeln.
Eine Impfprophylaxe gegen Malaria wünschte man sich von Anfang an. Entsprechende Versuche eine erworbene Immunität zu erzeugen, wurden alsbald unternommen, nachdem die Natur der Erreger und ihre Vermehrung im Blut erkannt war. Je nach dem Stand der Technik machte man etwa in jedem zweiten Jahrzehnt einen neuen Anlauf. In die Tropen reisende Laien wollen bis heute gegen Malaria geimpft werden und sind erstaunt, dass man ihnen statt dessen eine vorbeugende Dauermedikation verordnet. Sie wurden als Kinder gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten geimpft; weshalb ist das nicht auch gegen Malaria möglich? Offensichtlich denkt man sich Malaria wie eine bakterielle Infektionskrankheit, aber sie verhält sich gar nicht wie eine solche.
Das Etikett bestimmt nicht den Inhalt einer Flasche. Die Erreger der Malaria, die Plasmodien, vermehren sich zwar durch Zweiteilung wie Bakterien; damit hören die Übereinstimmungen aber bereits auf. Die Unterschiede sind beträchtlich:
Selbstkontrolle der Vermehrung: Plasmodien begrenzen die Zahl ihrer Teilungsschritte sowohl bei der Sporogonie in der Stechmücke, als auch bei der Merogonie in der Leberparenchymzelle. Die Merogonie in den roten Blutzellen führt durch eine interspezifische, d.h. über den Immunapparat des Säugetierwirtes vermittelte Rückkoppelung zu einer annähernd konstanten Parasitämie. Nach einer etwas variablen, aber doch eindeutig begrenzten Dauer bzw. Zahl von Vermehrungs- bzw, Fieberzyklen, während denen die Geschlechtsformen gebildet wurden, enden diese und damit die Parasitose, und zwar von selbst, nicht etwa durch eine Immunabwehr des Wirtes. Es entsteht keine schützende Immunität trotz eindeutiger Immunreaktionen. In kurzen Worten: Die Plasmodien verhalten sich im Warmblüter wie ein Soma mit begrenzter Lebenserwartung, das intermittierend Geschlechtszellen bildet.
Wie kommt die Regulation im zirkulierenden Blut zustande?
Ein Experiment zur Erprobung einer Vakzine an gesunden Menschen ohne vorherige Erfahrung mit Malaria kann uns helfen: Fünf erwachsene Personen erhielten nach Behandlung mit der Vakzine SPf66 intravenös eine Million parasitierter RBC, desgleichen vier weitere Personen, welche zur Kontrolle ohne Vorbehandlung blieben. Bei den Kontrollen liefen die Merogoniezyklen initial mit geringster Verlustrate ab. Der Anstieg der Parasitämie entsprach einer Erfolgsrate von 95,8%, d.h. 23 von 24 Merozoiten eines Meronten gelang es, in einen neuen Erythrozyten einzudringen und sich in diesem wieder in 24 Merozoiten zu teilen. Bereits nach acht Tagen, d.h. vier Zyklen war eine kritische Parasitämie von 1,4% erreicht. Wäre es so weiter gegangen, hätte schon die nächste Teilung zu einer hochgradig lebensbedrohenden Parasitämie von 26%, eine weitere Teilung zum sicheren Tod geführt. Bei den fünf Personen, die mit SPf 66 vorbehandelt worden waren, stieg die Parasitämie anfangs sogar noch etwas schneller an, erreichte aber in der gleichen Zeit von acht Tagen zuletzt nur 0,5%. Bei diesem Stand der Dinge wurden die vier Kontrollpersonen und zwei der Versuchspersonen mit der höchsten Parasitämie chemotherapeutisch behandelt. Bei den restlichen drei Personen war das nicht notwendig, ihre Parasitämie stabilisierte sich. Die Reduktion von 1,4 auf 0,5% bei den Versuchspersonen wertete die Arbeitsgruppe als Erfolg der Vorbehandlung (Patarroyo und Mitarb. 1988).
Ohne eine Vakzine im Sinn sind diese Resultate jedoch anders zu bewerten. Die Parasitämie hätte ohne Chemotherapie nur bei weiterhin ungebremster Vermehrung der Merozoiten zum sicheren Tod geführt. Bei einer natürlichen Infektion durch den Stich einer Mücke steigt die Parasitämie später nicht ungebremst an, sonst könnte niemand eine Malaria überleben. An Stelle eines Schutzes durch die Vakzine liegt eine andere Erklärung viel näher: In diesen ersten acht Tagen kann die Latenz einer Immunreaktion ablaufen. Danach setzt die interspezifische Regulation der Parasitämie durch Antikörper gegen Oberflächenproteine der Merozoiten ein (Druilhe and Perignon 1997). Die Vakzinierung hat diesen Vorgang nur unbedeutend beeinflusst.
Indessen erprobte man die Vakzine zuerst in Südamerika an insgesamt 15 000 Kindern und wollte Erfolge erkannt haben. Daraufhin führte man 1994 in Tanzania an 586 Kindern im Alter von 1 5 Jahren einen Versuch unter streng kontrollierten Bedingungen durch. Die schützende Wirkung von 31% feierte man zuerst und der Initiator Patarroyo wurde mit dem Robert Koch-Preis ausgezeichnet. Die Vakzine erwies sich zuletzt als reine Luftnummer. Bei kritischer Beurteilung der Konzeption des Feldversuches in Tanzania und der Publikation seiner Resultate in Lancet (Alonso et al.1994) war das sofort zu erkennen (Wenk 1995). In einem danach in Gambia mit derselben Versuchsanordnung und Auswertung an 547Kindern im Alter von 6 11 Monaten durchgeführten Feldversuch zeigte die Vakzine keinerlei Wirkung (D’Allessandro et al. 1995).
Auf den Vakzineversuchen lastete ein enormer Erfolgsdruck. Die Weltpresse bemächtigte sich des Themas und forderte endlich substantielle Hilfe für die betroffenen Länder. Die Vakzine war in Equador entwickelt worden und nicht in den USA. Deren alleinige Finanzierung galt als selbstverständlich. So ließ man bei der Auswertung beider Feldversuche alle Personen (80% bzw. 50%) ohne Parasitämie unberücksichtigt, so als hätten sie am Versuch gar nicht teilgenommen. Hätte die Vakzine gewirkt, hätten diese aber an Zahl signifikant zunehmen müssen. Schließlich sollte die Vakzine doch Malaria vorbeugen. Berücksichtigt wurden nur Kinder, die eine. zwei oder drei Fieberepisoden durchgemacht hatten. Diese multiplizierte man mit der Anzahl Personen. Null Episoden mal x Kinder ergab null Episoden. Wie dies bei zwei umfangreichen Manuskripten zur Publikation in Lancet durchging, wäre eine eigene Untersuchung wert. Allein die Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf blieb sachlich.
Was in seriös ausgewerteten Feldversuchen erreichbar ist, sei an einer Studie dargestellt, die mit mehreren in Papua Neu Guinea entwickelten Vakzinen durchgeführt wurde, jeweils zusammen gesetzt aus Oberflächenproteinen der dort vorkommenden Plasmodienstämme (Genton et al. 2003). Hierbei erprobte man verschiedene Kombinationen von Proteinen. Die besten Resultate erhielt man mit einer Vakzine aus asexuellen Blutstadien (Merozoite Surface Protein MSP1, 2 und 3) sowie Ringstadien (Ring-infected Erythrocyte Surface Antigen RESA1) mit 120 Kindern im Alter von 5 9 Jahren. Sie hatten mit Malaria bereits Erfahrung gemacht, waren jedoch nicht mit Sulfadoxin-Pyrimethamin behandelt worden, wie das in den beiden oben besprochenen Versuchen zu Anfang geschehen war. Die durchschnittliche Parasitämie von 383 parasitierten roten Blutzellen (RBC) pro Mikroliter Blut, verringerte sich auf 145 parasitierte RBC, was als 62% Wirkung auf die Blutstadien gewertet wurde. Die Inzidenz (Neuerkrankungsrate) war geringer, wenn die übertragenen Plasmodien eines der Oberflächenproteine trugen, das auch in der Vakzine vorhanden war. Die Anzahl Fieberepisoden veränderte sich nicht. Die Inzidenz war jedoch höher und die Fieberepisoden häufiger als in der scheinvakzinierten Gruppe, wenn bei den vakzinierten Patienten Plasmodien eines Genotyps vorlagen, dessen Proteine in der Vakzine fehlten. Somit kann eine solche Vakzine nur dann therapeutisch breit eingesetzt werden, wenn sicher gestellt ist, dass nur entsprechend sensible Plasmodienstämme in der Bevölkerung verbreitet sind; eine kaum zu erfüllende Bedingung.
Malariavakzinen müssen sowohl hinsichtlich ihrer kurz- als auch ihrer langzeitigen Wirkungen beurteilt werden. Die Parasitendichte im Blut, die Häufigkeit von Fieberepisoden und deren Schwere eignen sich für Feldversuche am besten, da sie gut messbar sind. Natürlich sollte eine in endemischen Gebieten nutzbringende Vakzine die Übertragung unterbrechen. Ein Rückgang der Inzidenz ist wesentlich schwerer nachzuweisen. Von dem Ziel sie soweit zu minimieren, dass die restlichen Fälle chemotherapeutisch behandelt werden können, ist man noch weit entfernt, wenn es denn jemals erreichbar ist. Erst dann würde auch die Prävalenz, das Vorkommen der Malaria in der gesamten Bevölkerung dauerhaft abnehmen. Deshalb wendet man sich der Entwicklung von Vakzinen zu, die andere Konzepte verfolgen, z.B. den klinischen Verlauf mildern und die Überlebensrate verbessern, d.h. die Letalität verringern oder die weitere Entwicklung in der übertragenden Mücke blockieren. In allen Fällen bildet die hohe Spezifität der Plasmodien bei erheblicher genetischer Variabilität eine bisher nicht überwindbare Barriere.
Plasmodien sind Eukaryoten mit einem um mindestens zwei Zehnerpotenzen größeren Genom als Bakterien. Als Zellparasiten bei kürzesten Umsteigezeiten sind sie humoralen Antikörpern selbst kaum ausgesetzt. Diese binden an befallene RBC Wirtszellen, auf denen plasmodienspezifische Proteine erscheinen. Der Turnover bei regulierter Parasitämie schleußt somit ständig Fremdeiweiß in den Wirtsorganismus, das den Immunapparat in mehrfacher Weise antagonistisch beeinflusst. Nicht umsonst ist die Vermehrung im Blut synchronisiert und bei Plasmodium falciparum sogar lokalisiert. Plasmodien bilden bei Menschen höheren Alters und ferner während der Regenzeiten häufiger und mehr geschlechtlich differenzierte Stadien (Gamonten). Ihre Vitalität erschlischt analog einer Apoptose; alles Eigenschaften, die man bei Bakterien und Viren niemals beobachtet.
Eine klassische Vakzine wie sie Jenner 1796 und Pasteur 1881erstmals entwickelten, bedeutet lediglich einen Informationsvorsprung für die Abwehrmechanismen des Wirtsorganismus: Gegen bekannte, d.h. erinnerte Antigenspezifitäten reagiert der Immunapparat schneller, da es sich dann um eine Sekundärreaktion handelt. Gegen Malaria wurde ein entsprechendes Konzept mit molekularbiologischen Techniken in den USA unter Leitung des Ehepaars Ruth und Viktor Nussenzweig bereits ab 1970 versucht. Dementsprechend analysierte und synthetisierte man die Oberflächenantigene des Sporozoiten, des von der Mücke eingebrachten infektiösen Stadiums von Plasmodium falciparum, die allerdings, wie man erkennen musste, erst einmal spezies-spezifisch variieren. Mit diesem synthetischen Circumsporozoitprotein (CSP) sollten die Sporozoiten sofort abgefangen werden, sodass sie ihr natürliches Ziel, die Leberparenchymzelle, nicht erreichen könnten. Das Projekt wurde immer dringlicher, denn 1982 nahm die Resistenz der Plasmodien gegen Resochin und die der Mücken gegen die Insektizide weltweit bedrohlich zu. Als man die Vakzine 1986 an Freiwilligen erprobte (man hatte ursprünglich mit 10 Jahren gerechnet), blieb die Wirkung aus.
Auf Feldstudien verzichtete man von vorne herein und wandte sich den Ursachen des Versagens zu. Ergebnis: Das „window of opportunity“, die für eine Wirkung offen stehende Zeitspanne, ist bei Malaria allgemein zu kurz. Ein Drittel des strömenden Blutes passiert bei jedem Umlauf die Leber. Somit erreicht alle 80 Sekunden (Blutumlaufzeit) ein Drittel der in die Blutbahn gelangten Sporozoiten die Leber. Dementsprechend nehmen sie im zirkulierenden Blut danach alle 80 Sekunden in Potenzen von 2/3 ab. Nach einer Viertelstunde findet man noch knapp 1%, nach spätestens 30 Minuten sind alle Sporozoiten verschwunden. Die Speicheldrüsenzellen einer Mücke enthalten mehrere Tausend Sporozoiten. Pro Stich rechnet man mit 10 bis 100, selten 1000 übertragenen Sporozoiten, wobei 10 bereits für eine manifeste Infektion ausreichen. Nach neuesten Erkenntnissen ((Frischknecht pers. Mitt.) verbleiben die Sporozoiten nach dem Stich der Mücke längstens eine Stunde in der Cutis und wandern dann durch die regionalen Lymphknoten und die efferenten Lymphgefäße in die Blutbahn. Dort erscheinen sie abhängig vom zurückgelegten Weg nach wenigen Stunden. Keine Vakzine entfaltet ihre Wirkung in 2 bis 3 Stunden. Die Aktivierung einer immunologischen Sekundärreaktion ist bei 90% der Personen nach 12 bis 24 Stunden nachweisbar. Man untersuchte deshalb den Andockmechanismus an die Hepatozyte, um ihn vielleicht zu blockieren. Damit würde man, wie sich zeigte, eine physiologische Funktion der Leber ausschalten (Nussenzweig 1997). Die CSP-Vakzine hatte nicht die geringste Chance. Trotzdem erbrachten diese Bemühungen im Unterschied zur SPf66 Vakzine viele grundlegenden Erkenntnisse. Das Ziel auf diesem Wege zu einer Vakzine zu kommen, die in endemischen Gebieten mit Vorteil eingesetzt werden könnte, gaben die Arbeitsgruppen erklärtermaßen auf.
Das ursprünglich von Jenner und Pasteur entwickelte Konzept ist auf Plasmodien und andere Eukaryoten offensichtlich nicht, oder nur stark eingeschränkt anwendbar. Wer es trotzdem versucht, erliegt seinem Wunschdenken. Das Irrbild einer bakteriellen Infektion spielt dabei eine erhebliche Rolle.
Literatur
- Alonso PL. et al. (1994) Randomized trial of efficacy of SPf 66 vaccine against Plasmodium falciparum malaria in children in southern Tanzania. Lancet 334,1175 1181. Sd 5709 & 5750 A4
- D’Allessandro U et al. (1995) Efficacy trial of malaria vaccine SPf66 in Gambian infants. Lancet 346, 462 467.
- Druilhe P, Perignon J-L (1995) A hypothesis about the chronicity of malaria infection. Paras. Today 13, 353 357. Sd 5848
- Genton B et al. (2003) The malaria vaccine development program in Papua New Guinea. Trends Parasitol. 19 , 264 270. ZTSCHR
- Nussenzweig V.(1997) III. Pathogen persistence and vaccination strategies. Malaria sporozoites and chylomicron remnants compete for binding sites in the liver. Behring Inst. Mitt. 99, 85 89. Sd. 5841
- Patarroyo ME et al. (1987) Induction of protective immunity against experimental infection with malaria using synthetic peptides. Nature 328, 629 632. Sd 5228
- Wenk P. (1995) Warum eine Immunisierung gegen Malartia so schwierig ist. Biol. in unserer Zeit. 25, 274 282.
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