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3.1 Evolution darmparasitischer Nematoden

- Der Körper der Nematoden ist langgestreckt, im Querschnitt rund, ohne Zirkulationssystem. Das hydrostatische Skelett bedingt Ventile an allen Körperöffnungen. Das Wachstum erfolgt mit Häutungen ohne Druckabfall, indem sich die abgeworfene Kutikula dehnt. Diese Gegebenheiten bestimmen die Differenzierung parasitischer Formen.

- Darmnematoden sind polyphyletisch entstanden, sind jedoch typologisch von frei im Boden lebenden, saprobiontischen Nematoden (Rhabditida) abzuleiten. Letztere leben von Bakterien in sich zersetzenden, kompostierenden Vegetabilien oder Exkrementen (Biochorion). Kommensalische oder schwach parasitische Formen, die in großen, nahrungsarmen Blinddärmen (Caeca) von Herbivoren leben, entwickeln sich direkt oral-enteral.

- Enterobius vermicularis, Madenwurm des Menschen lebt im Dick- und Blinddarm (Caecum) von Bakterien. Perianale Eiablage durch auswandernde Weibchen bei interfäkalem diurnem Zyklus.

- Die Strongyloidea und Trichostrongyloidea der Wiederkäuer adaptieren ihre Populationsdichte durch Verzögerung ihrer Entwicklung (Häutungen), ausgelöst durch Crowding und über die sekretorische Immunreaktion des Darmes. Eier mit dem Kot ausgeschieden, Dauerstadien überbrücken den Saisonwechsel. Madenwürmer (Anisakidae) der Pfeifhasen(Ochotoma princeps) passen ihre Ausscheidung mit den Fäzes des Wirtes durch tagesperiodische Wanderungen dem Zyklus der Zäkotrophe an (Abb. 3.1).

- Tichuris trichura, Peitschenwurm des Menschen. Präpatenter Gewebekontakt der einwandernden Erstlarven, die vorübergehend in Darmzotten (Villi) eindringen. Adulti leben im Dickdarm. Ihr Vorderkörper durchbohrt Epithelzellen, der Hinterkörper hängt frei ins Lumen. Mit Hilfe eines Mundstiletts werden histolytische Sekrete in Epithelzellen gebracht, deren Plasma oral aufgenommen wird.

- Nippostrongylus brasiliensis, Hakenwurm der Ratte. Präpatenter Gewebekontakt durch 8-9 Tage Migration der Stadien durch die Mukosa in die Muskularis. Zurück im Darmlumen sekretieren Drittlarven Antigene, welche die Immunreaktion ambivalent stimulieren: Superinfestationen werden gedrosselt (Prämunition als Revierverteidigung), Abwehrreaktionen gegen etablierte Stadien supprimiert. Balancestrategie mittels dynamischem Gleichgewicht von defensiven und supprimierten („permissiven“) Komponenten der Immunreaktion.

- Bei Darmnematoden von Omnivoren folgen die infestiven Stadien in der Regel einem transentero-somatischen Invasionsweg: Darm-Leber- Lungen-Darm-Passage (Ascaris spec.). Bei denen von Karnivoren hat sich ein percutan-somatischer Invasionsweg herausgebildet (Ancylostomatidae) (Tab. 3.1). Verstärkter präpatenter Gewebekontakt.

- Bei trächtigen Wirtstieren können die infestationstüchtigen Drittlarven auf dem somatischen Invasionsweg abzweigen und generativ, nämlich diaplazentar und nach der Geburt galaktogen übertragen werden. Die Überparasitierung des Muttertieres wird vermieden, der Parasit auf mehrere Individuen der nächsten Wirtsgeneration verteilt: Kompensation der Altersdrift.

- Bei den Lungenwürmern von Herbivoren (Metastrongyloidea) endet der transentero-somatische Invasionsweg in der Lunge. Die adulten Würmer leben in Bronchien und der Trachea. Ihre Eier setzen den Weg in den Darm fort. Gegen Dictyocaulus viviparus, Lungenwurm des Rindes, wurde eine Vakzine entwickelt, deren Schutzwirkung jedoch ohne Dauerstimulation wieder verschwand (Prämunition).

- Angiostrongylus cantonensis, Lungenwurm der Ratte, entwickelt sich über verchiedene terrestrische Schnecken als Zwischenwirte. Sie werden peroral von Eiern oder perkutan von Erstlarven befallen. Drittlarven aus verzehrten Ratten erreichen nach transentero-somatischer Invasion mit Passage des Gehirns zuletzt die Lungen, wo sich die adulten Würmer ansiedeln und fortpflanzen. Über kontaminiertes Gemüse, dekapode Krebse, Schweine und Rinder als unspezifische Endwirte wird auch der Mensch befallen.

- Ancylostoma dodenalis, A. caninum, Necator americanus, die Hakenwürmer des Menschen bzw. des Hundes infestieren ihre Wirte über eine perkutan-somatische Invasion, wobei A. caninum einwandernde Drittlarven generativ, sowohl diaplazentar, als auch galaktogen überträgt. Bei der Pelzrobbe (Callorhinus ursinus) geht synchron mit ihrer Fortpflanzung ein Hakenwurm (Uncinaria lucasi) zuerst laktogen, danach nochmals perkutan auf die Neugeborenen über. So passte sich der Parasit in der Evolution der marinen Lebensweise seines Wirtes an.

- Die meisten Gattungen der Strongyloididae leben frei in der Erde und ernähren sich von Bakterien. Strongyloides stercoralis pflanzt sich bei günstigen Außenbedingungen (Biochorion) freilebend zweigeschlechtlich fort (Heterogonie); bei Nahrungsmangel wird sie fakultativ parasitisch. In der Mucosa des Duodenum von Mensch, Katze oder Hund pflanzen sich die Weibchen parthenogenetisch fort (Homogonie). Ihre Larven können Autoinfektionen hervorrufen. Entsprechend der Stelle des Eindringens machen die Larven eine perkutan- oder eine transentero-somatische Passage.

- Trichinella spiralis entwickelt sich in einer ersten enteralen Phase zu Adulten. Als Invasionslarven nehmen sie initial in der Darmschleimhaut vorübergehend Gewebekontakt auf. Die zweigeschlechtlichen Darmtrichinen sind vivipar. Die ins Darmlumen freigesetzten Larven werden nach der entero-somatischen Migrationsphase zu spezifischen Muskeln zu intrazellulären Dauerstadien, den Muskeltrichinen. Der Wirt oder sein Kadaver werden gewöhnlich von Karnivoren aufgenommen.

- In Europa bilden Trichinen domestische Zyklen (Hausschwein) und davon getrennt silvatische Zyklen (Fuchs, Dachs) mit karnivoren Laufkäfern als Transportwirte. In den Tropen spielt die aggressive Hyäne unter den Großraubtieren eine wichtige Rolle. Wildschwein und Warzenschwein beherbergen eine für den Menschen weniger gefährliche Art (T. nelsoni). In der Arktis sind Eisbären, Wölfe und das Walross (fällt auch Robben an) wichtige Wirte. Fische und Krebse fungieren als Transportwirte zu Robben.

- Beim Umbau der kontraktilen Substanz der Muskelzelle zur Trichinenkapsel folgen auf die initiale hydropische Aufblähung drei Phasen: Zuerst eine Entfifferenzierung (Myofilamente zerbrechen), gefolgt von einer Transformation (Kerne vergrößern sich, Golgi-Komplexe erscheinen, Mitochondrien teilen sich) und zuletzt die Strukturierung (Bildung der Kapselwand und der Matrix, in der die Larve liegt). Die Larve steuert die Prozesse durch Parakine, die in ihrem Stichosom gebildet werden.

- Trichinella pseudospiralis bildet als Muskeltrichine keine Kapsel aus. Sie lebt in Vögeln und auch Säugern. Ihre Larven liegen frei im Sarkoplasma, sowohl von weißen, schnell, als auch von roten langsamer sich kontrahierenden Fasern. T. spiralis bevorzugt rote, myoglobinreiche Fasern.

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