- Die Erreger sind Pärchenegel Schistosoma spec., zweigeschlechtliche Trematoden aus dem Phylum Parenchymia (Plathelminthes). Sie parasitieren beim Menschen in den Venen von Dünn-, Dickdarm oder der Blase, sowie der inneren Geschlechtsorgane. Ihre embryonierten Eier werden mit dem Stuhl bzw. Harn und den Geschlechtsprodukten ausgeschieden. Die im Süßwasser schlüpfenden, geschlechtlich differenzierten Mirazidien befallen Zwischenwirt(ZW)-Schnecken, in denen sie sich über eine Mutter- und zahlreiche Tochtersporozysten parthenogenetisch vermehren. Die Schnecke verlassen Zerkarien, welche sich im Menschen als Endwirt (EW) vom Schistosomulum zu geschlechtsreifen, verpaarten Egeln entwickeln. Das im Querschnitt runde Weibchen wird von dem flachen, eingerollten Männchen im Canalis gynaecophorus umschlossen. Die Eier legt das Weibchen einzeln in die Venolen der befallenen Gewebe. Die Egelpaare leben im Mittel 3 bis 4 Jahre, Mirazidium und Zerkarie, halten sich im Süßwasser ein bzw. zwei Tage. Während der Patenz besteht eine Prämunition, die abgelaufene Parasitose hinterlässt keine Immunität gegen eine Reinfektion.
- Im Mikrohabitat der Schnecken suchen die Mirazidien die spezifischen ZW-Schnecken auf, indem sie deren Pheromone (Dispersionsstoffe) mittels Chemokinese oder Chemotaxis als Lockstoffe wahrnehmen. Sie penetrieren die Haut der ZW-Schnecken, wobei sie ihr ektodermales Epithel abstreifen und ein mesodermales Tegument entwickeln (Neodermata). Die migrierenden Stadien gelangen über die Hämolymphe in die Tubuli der Mitteldarmdrüse. Das Einnisten der Tochtersporozysten und das Ausschwärmen der Zerkarien erzeugen jeweils eine Mortalitätswelle der Schnecken. Die Überlebenden gehen in den Hungerstoffwechsel über, was die Neubildung von Zerkarien drosselt. Die Zerkarien verlassen die Schnecke tagesperiodisch in Schüben. Turbulenzen und Körperwärme der EWe befördern die Kontaktreaktion aus Wendereaktion, Verbleiben, Kriechphase und Penetration der Haut unter Abwerfen des Schwanzes.
- Verlauf der Erkrankung: Im Prodromalstadium lösen migrierende Schistosomula vorübergehend Lungenaffektionen aus. Nach der Inkubation von 4-7 Wochen treten Fieber, Kopf-, Nacken- und Gliederschmerzen, sowie Schmerzen im Oberbauch auf: Manifestation; Leber und Milz schwellen an. Die ersten Eier erscheinen im Stuhl 5-7 Wochen, im Urin 10-12 Wochen nach Infestation (Beginn der Patenz). Bei einem Pärchen von S. mansoni rechnet man mit 300-600, bei S. haematobium mit 120-200 und bei S. japonicum mit bis zu 3000 Eiern pro Tag. Die Menge der von einem Patienten täglich ausgeschiedenen Eier und seine Wurmlast sind nicht korreliert; beide verteilen sich in den einzelnen Altersklassen negativ-binomial.
- Der weitere Verlauf ist chronisch. Gravierende Gesundheitsschäden treten erst nach jahrelanger Exposition bei akkumulierter Wurmladung auf. Sie beruhen primär auf den Gefäß- und Gewebsläsionen, welche von den Eiern erzeugt werden. In der Blase entstehen Geschwüre, aus denen Blut in den Harn gelangt (Hämaturie). Im weiteren Verlauf verliert die Blase ihre Elastizität und es entwickelt sich ein Harnstau mit vielfältigen, sekundären Folgen. Geschwüre im Darm begleitet von Entzündungen (Colitis) führen zu intermittierender Diarrhoe und beeinträchtigen die Resorption, Befall der Geschlechtsorgane die Fortpflanzung.
- Die mit dem venösen Abstrom verdriftenden Eier werden in nachgeordneten Kapillarnetzen abgefangen und erzeugen dort Granulome. Bei der Darmbilharziose bewirken sie in der Leber einen portalen Stau, der durch Varizen am Ösophagus und multiple Embolien zum Tod führen kann; ein Lungenstau überlastet das Herz (Cor pulmonale). Bei Blasenbilharziose drohen Blasenkrebs und Nierenversagen.
- Zur parasitologischen Diagnose dient der Einachweis (Anreicherung nach Telemann) und der Mirazidien-Schlüpfversuch (MSV), serologisch die Zerkarienhüllenreaktion (CHR). Ein zirkulierendes, anodisches Antigen weist lebende Egel nach. Ein Hauttest bleibt auch nach erfolgreicher Behandlung noch lange positiv. Zur Chemotherapie wirkt Praziquantel einmalig oral verabreicht. Zur Massenbehandlung ist es dank seiner geringen Toxizität bedingt geeignet. Die beste vorbeugende Immunisierung erreichte man bei Rindern experimentell mit UV-betrahlten Zerkarien. Im Mäuseversuch reduziert Paramyosin aus Egeln bei S. japonicum die Wurmlast um 60-80%.
- Darm- und Blasenbilharziose durch S. mansoni und S. haematobium sind Anthroponosen. Darmbilharziose durch S. japonicum mit dem domestizierten Wasserbüffel und dem Hausschwein und Ratten als parasitisches Reservoir ist eine Anthropo-Zoonose.
- Die Zwischenwirte (ZW) von S. haematobium und S. mansoni sind zwittrige, limnische Pulmonaten der Gattungen Bulinus und Biomphalaria, die in stehenden bis träge fließenden, seichten Gewässern von der Vegetation leben. Bulinus spec. überlebt Trockenperioden im Boden eingegraben bis 7 Monate; Biomphalaria spec. kann sich in ariden Zonen nicht halten. Der Zerkarienausstoß beginnt bei beiden Gattungen bei 25 oC etwa 4 Wochen p.i. Die Lebenserwartungen betragen etwas über 1 Jahr.
Die ZWe von S. japonicum sind zweigeschlechtliche Prosobranchier der Gattung Oncomelania. Sie leben auf nassen Schlammflächen der Uferzonen von Flüssen und ernähren sich von Detritus und einzelligen Algen, die sie mit Schlamm aufnehmen. Sie besiedeln Zonen feuchtwarmer Sommer und trockenkalter Winter, die sie eingegraben gut überstehen. Der Zerkarienausstoß beginnt 3-4 Monate p.i., die Lebenserwartung beträgt 3-5 Jahre.
- In den endemischen Gebieten ist stets nur ein geringer Anteil der ZW-Schnecken in den Zyklus des Parasiten einbezogen. Das interne Abwehrsystem (IDS) der Schnecken richtet sich vornehmlich gegen mikrobielle Pathogene, die sich epidemisch ausbreiten können. Die von Trematoden parasitierten Schnecken überleben dank der regulatorischen Selbstkontrolle der Tochtersporozysten, die potentiell unbegrenzt vermehrungsfähig sind.
- Die Übertragung der menschlichen Bilharziose hängt allein von der Kontamination des Brutgewässers der Zwischenwirt-Schnecken und dem Kontakt des Endwirtes mit den Zerkarien ab. Beide sind vom Verhalten des Menschen bestimmt.
- Beim Menschen erreichten die Prävalenz und die Ausscheidung schlüpffähiger Eier bei Jugendlichen im Alter von 10 bis 14 Jahren unabhängig ihrer der Exposition ein deutliches Maximum (Abb. 2.67). Die nachfolgende deutliche Abnahme beruht auf erhöhter Mortalität der Egel und verminderter Natalität (individuelle Zahl Eier pro Egelpaar) bei akkumulierter Wurmlast. Die pathologischen Veränderungen beeinträchtigen die Gewebepassage der Eier. Eine Prämunition behindert Reinfestationen.
- Eine epidemiologische Studie der Bilharziose (Kap. 2.9.5.3) an 12000 Personen einer urbanen bzw. ruralen Bevölkerung durch S. japonicum ergab Daten für ein deterministisches mathematisches Modell. Von der Gesamtmenge ausgeschiedener Eier entfielen auf den Menschen ein Drittel, hauptsächlich auf wildlebende Ratten sowie Hunde und Schweine zwei Drittel. Die maximale Prävalenz und Eiausscheidung bei 15-19-jährigen Adoleszenten weist auf die Synchronisation der Fortpflanzung von Parasit und Endwirt Mensch hin (Abb. 2.71). Die effektive Natalität (Rate der im gesamten Leben erzeugten Nachkommen der 1. Generation) von S. japonicum ist bei den Adoleszenten im verrgleich zu allen anderen Altersgruppen am höchsten; sie ist bereits optimal sobald ein bis zwei fertile Paare pro Person vorhanden sind (Abb. 2.69). Bei drei bis fünf Paaren setzt ein Crowding-Effekt ein, der die Natalität der einzelnen Weibchen drosselt. Eine niedrige Wurmladung wird durch eine hohe Fekundität kompensiert.
- In Afrika und Asien leiden vor allem Rinder, aber in geringerem Grad auch Schafe, Ziegen und wildlebende Wiederkäuer unter Darmbilharziose verschiedener Schistosoma spec. Die Eiausscheidung pro Gramm Fäzes korreliert nicht mit der Wurmlast, festgestellt durch Perfusion beim Schlachten. Die maximale Eiausscheidung koinzidiert mit der Zeit des erstmaligen Kalbens und kompensiert dadurch die Altersdrift der adulten Parasiten. Wie beim Menschen werden die Fortpflanzung von Parasit und Endwirt synchronisiert, und zwar trotz des viel schnelleren Generationswechsels von einem Jahr.
- In Ostasien sind der Wasserbüffel, sowie Schweine, Rinder, Hunde oft hochgradig mit S. japonicum befallen. Als natürliches Reservoir müssen vor allem Ratten gelten. In Ostafrika ist der Pavian (Papio deguera) ein natürliches Reservoir für S. mansoni; in Ägypten sind die semiaquatische Nilratte Arvicanthus niloticus und andere wilde Kleinsäuger zumindest adäquate Wirte für S. mansoni. Für S. haematobium kennt man kein tierisches Reservoir.
- Eine Bekämpfung verspricht nur dann einen Erfolg, wenn der Lebenszyklus des Parasiten gleichzeitig an mehreren Stellen anhaltend beeinträchtigt wird. Außerdem müssen tierische Wirte, in Ostasien Haus- und Nutztiere und vor allem Ratten einbezogen werden. Wird die Übertragung dauernd niedrig gehalten, so akkumulieren die Würmer in den Endwirten langsamer. Bei geringerer Eiproduktion verschieben sich die pathologischen Wirkungen auf höhere Altersklassen. Bei wildlebenden Kleinsäugern (Ratten) ist der Kontakt mit den Schnecken eng, so dass eine geringe Schneckendichte die Parasitenpopulation erhalten kann. Auch hierbei verteilt sich die Wurmlast negativ-binomial, d.h. niedrige Wurmlasten überwiegen.
- Soll die Prävalenz einer Parasitose dauerhaft abnehmen, muss die Nettoreproduktionsrate des Erregers unter den Wert eins reduziert werden. Zur Erfolgskontrolle einer Bekämpfung, gleich welcher Strategie, kann auf diesen Nachweis nicht verzichtet werden.
- Größere wasserbautechnische Maßnahmen, wie Stauseen oder Bewässerungsanlagen, begünstigen die Ausbreitung der Bilharziose. Der Zugang zu den entstehenden seichten Wasserzonen lässt sich generell nicht verhindern. Molluskizide müssen regelmäßig und über lange Zeit eingesetzt werden. Eine biologische Bekämpfung ist nicht in Sicht, ebenso wenig eine ausreichend schützende Vakzine.
- Die Selektionsvorteile heteroxener Parasiten in der Evolution treten auf ökologischer Ebene klar zutage (S. mansoni).
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ZW-Schnecke
r-Stratege |
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EW-Säuger (Mensch)
K-Stratege |
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Individuenzahl des Wirtes |
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groß |
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klein |
Saisonalität |
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variabel |
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konstant |
Prävalenz des Parasiten
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nieder |
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hoch |
Empfänglichkeit |
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variabel |
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konstant |
Quotient Lebenserwartung
Parasit zu Wirt |
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9/10 Monate = 0,9 |
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4/40 Jahre = 0,1
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Befall |
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einmalige Infektion
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mehrfache Infestation
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Regulation des Parasiten |
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Selbstkontrolle
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Revierverteidigung (Prämunition)
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Abwehrmechanismen |
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Internes Abwehrsystem (IDS)
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Immunreaktion
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Resistenz |
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ererbt, nicht erinnert
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erinnert, nicht vererbt
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