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2.8 Toxoplasmose und Sarcosporidiose
- Toxoplasma (syn. Isospora) gondii gehört zu den heteroxenen, zystenbildenden Coccidien, einer Ordnung der Sporozoa syn. Apikomplexa. Diese sind charakterisiert durch einen Komplex von Organellen aus Conoid, Polring, Rhoptrien und Mikronemen. Bei der Zellteilung entstehen innerhalb der Mutterzelle nahe dem sich teilenden Kern synchron zwei neue Apikalkomplexe: Endodyogenie. Auch bei einer extranukleären oder intranukleären Merogonie (Chromosomenteilung mit bzw. ohne Kernteilung) werden beim letzten Teilungsschritt paarweise Apicalkomplexe gebildet: Typische Merogonie und Endopolygenie.

- Toxoplasma gondii wechselt zwischen zwei warmblütigen Wirbeltieren. Beide nehmen den Parasiten per os auf: Der Endwirt (EW) Katze bzw. Feliden als Carnivor über seine Beute, die Zwischenwirte (ZWe) , z.B. Mäuse, als Herbivoren durch Kontamination ihrer Nahrung. Als vermittelnde Transport-Wirte dienen koprophage Insekten.

- Wird der ZW zur Beute eines inadäquaten, carnivoren EWs, wie z.B. Caniden, so wird dieser zum fakultativen zweiten Zwischenwirt. Auch die Katze kann, nachdem sie die EW-Rolle durchlaufen hat, durch Aufnahme von Sporozoiten zum ZW werden.

- Im Feliden-Endwirt findet nach dem Verzehr eines parasitierten ZWs eine entero-epitheliale Merogonie mit nachfolgender Gamogonie in den Epithelzellen des Dünndarms statt. Sie führt zu Oozysten (Zygotozysten), in denen die Sporogonie abläuft.

- Im herbivoren Zwischenwirt laufen zwei extraintestinale Merogoniezyklen ab. Im ersten Zyklus, der proliferativen Phase entstehen rasch sich wiederholend in Makrophagen Endozoiten, auch Tachyzoiten genannt. Mobile Stadien (Trophozoiten) gelangen über die Blutbahn in Zellen des Gehirns, der Skelett- und Herzmuskulatur, Leber und Augen. Im dort folgenden zweiten Zyklus, der zystischen Phase bildet sich aus einer parasitophoren Vakuole eine Zyste, gefüllt mit zahlreichen Zystozoiten, auch Bradyzoiten genannt. Außerdem können Toxoplasmen beim trächtigen Schaf diaplazentar auf den Foeten und lactogen auf das saugende Lamm übertragen werden. Wird der Luchs ausgewildert, bevorzugt er abgesehen von Kleinsäugern Lämmer als Beute.

- Infektionen mit Toxoplasma gondii beeinträchtigen ihre ZWe eindeutig hinsichtlich ihres Verhaltens, im übrigen jedoch geringfügig. Dadurch entsteht ein fast unbegrenztes Reservoir inapparent befallener Warmblüter. Im EW hält sich der Parasit kurze Zeit. Außerdem erwirbt dieser eine zumindest vorübergehend schützende Immunität.

- Der Mensch infiziert sich als sekundärer ZW beim Verzehr von Fleisch vom Schwein, seltener Rind. Nach Abklingen akuter Symptome werden auch bleibende neurologische Beeinträchtigungen (verlangsamte Reaktionszeit, risikoreiches Verhalten) festgestellt. Bei Infektion im Kindesalter treten mitunter zentralnervöse Ausfälle auf.

- Die menschliche Toxoplasmose ist eine Zoonose und der Mensch als Fehlwirt anzusehen. Die diaplazentare Infektion des menschlichen Foeten erfolgt nur bei einer erstmaligen Infektion der Mutter, vor allem im letzten Drittel der Schwangerschaft. Ohne Behandlung werden in 50 % der Fälle die Foeten befallen und es sind Schädigungen der Retina, Hydrocephalus und mentale Störungen zu erwarten. Eine serologische Verlaufskontrolle erlaubt eine genauere Abschätzung des individuellen Risikos. Ein automatisierter Test mit rekombinanten Antigen der Tachyzoiten kann eine Erstinfektion in der proliferativen Phase (2-4 Wochen p.i.) erkennen. Eine Chemotherapie der Mutter beeinträchtigt den Foeten nicht. In Europa rechnet man im 6. Lebensjahrzehnt mit 70-80 % seropositiver Personen.


Sarkosporidiose


- Sarcosporidien parasitieren in Säugetieren (einschließlich Robben, Zahn- und Bartenwalen), Vögeln und Reptilien als EW und ZWe. Außer der Gattung Sarcocystis mit ca 130 Arten gibt es noch die Gattungen Besnoitia, Frenkelia und Isospora (einschließlich Toxoplasma gondii), deren Zysten sich in Nervengewebe, Muskulatur und anderer Organe entwickeln.

- Nach Infektion des karnivoren EWs (Mensch, Hund, Katze u.v.a.) beginnt sofort die Gamogonie, entweder enteroepithelial oder subepithelial in der Lamina propria. Je nach der aufgenommenen Dosis von Endozoiten verläuft die Infektion des EWs subakut oder pathogen bis letal.

- Auch die folgende Sporogonie verläuft noch in den Geweben des EWs. Es werden voll sporulierte Oozysten (Zygotozysten) oder Sporozysten mit je vier Sporozoiten ausgeschieden, die bereits infektiös sind. Dadurch können sich sowohl Herbivore kontaminativ, als auch Carnivore durch Verzehren von EWn infizieren und ZWe werden. Der Mensch ist ein ZW von Sarcocystis lindemanni, der zugehörige EW ist unbekannt.

- Im ZW bilden sich je nach Gattung in spezifischen Organen Gewebezysten. In diesen erzeugen wandständige Metrozyten durch vielfache Endodyogenie Massen von Endozoiten. Sie füllen die Kammern der zu makroskopisch erkennbarer Größe anwachsenden Gewebezysten.

- Die Wand der Gewebezysten besteht aus einer inneren, vom Parasiten gebildeten Primärhülle. Diese bildet nach innen die Grundsubstanz mit eingebetteten Metrozyten, nach außen elektronenoptisch jeweils charakteristische, ihre Oberfläche vergrößernde artspezifische Wandstrukturen. Die Primärhülle wird außen mitunter von einer zweischichtigen Sekundärhülle bedeckt, ein Synzytium mit lamellärer Stuktur, gebildet von den benachbarten Wirtszellen.

- Die Verlagerung der Sporogonie in das Darmgewebe des EWs ermöglicht auch die Besiedelung von karnivoren Warmblütern der Hochsee. Solche Wirte haben ihre im terrestrischen Leben erworbenen Parasiten beim Übergang in das marine Leben beibehalten.
- Ein heteroxener Zyklus zwischen zwei trophisch verbundenen Warmblütern erfordert die spezifische molekulare Erkennung der jeweiligen Wirtszelle (z.B. Darmepithelzelle von Feliden versus der von allen anderen Warmblütern). Sie löst ein entsprechend verschiedenes Entwicklungsprogramm aus. Die Selektionsvorteile liegen auf drei Ebenen der Betrachtung.

1. Genetische Ebene: Die ungeschlechtliche Multiplikation des Genoms im unspezifischen ZW bildet das Substrat für Mutationen und führt genetisch divergierender Klone wieder zusammen. Die sexuelle Fortpflanzung im spezifischen EW ermöglicht die Neukombination von Mutationen.

2. Parasit-Wirt-Beziehung (individuelle Ebene): Die lebenslange Diapause macht den ZW zum Reservoirwirt. Die kurzdauernde Infektion des EW mit schützender Immunität leitet ein alternatives Parasit-Wirt-Verhältnis ein, das die Dichte der EWspopulation reguliert (s. Kap. 8.1.1 Alternativstrategen).

3. Ökologische Ebene: Verhaltensänderungen des ZWs konditionieren ihn als Beute. Die diaplazentare und laktogene Übertragung kompensiert die Altersdrift des Parasiten. Beim EW wird die Fitness beeinträchtigt, sein Nachwuchs dezimiert. Insgesamt wird seine physische und ggf. seine reproduktive Überlegenheit gedrosselt.
- Sarcosporidien stabilisieren ein Jäger ? Beute ? Verhältnis, indem sie die basalen Reproduktionsraten der karnivoren Endwirte und der herbivoren Zwischenwirte ausgleichen und dabei ihre eigene Fortpflanzung selbst kontrollieren. Angesichts der weltweiten Verbreitung der Sarkosporidien bildet die von ihnen und anderen Apikomplexa induzierte dynamische Balance einen bedeutsamen Faktor in der Evolution jedes Gliedes dieser dreifachen Partnerschaft.
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