2.3 Filarien mit zirkulierenden Mikrofilarien
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- Filarien parasitieren im Gewebe terrestrischer Wirbeltiere und gebären erste Larvenstadien, die Mikrofilarien, welche im zirkulierenden Blut oder in der Gewebslymphe der Haut erscheinen. Sie werden von blutsaugenden Arthropoden, Dipteren, Zecken oder Milben übertragen. Die ersten drei Larvenstadien im Vektor sind Zellparasiten von polyploiden oder syncytialen Geweben. Die metazyklische, dritte Larve infestiert den Wirbeltierwirt und wird als Invasionslarve bezeichnet. Sie häutet sich zum geschlechtlich dimorphen, vierten Stadium, dieses zum juvenilen Stadium, das zum adulten Wurm heranwächst.
- Wuchereria bancrofti und Brugia malayi: Die adulten Würmer leben in den Lymphgefäßen und verursachen Entzündungen, die einen lokalen Stau der abströmenden Lymphe bewirken, der den distalen Bereich der betreffenden Körperregion immer mehr anschwellen lässt: Elefantiasis. Die Mikrofilarien zirkulieren im peripheren Blut und zeigen bei W. bancrofti eine ausgesprochene Nachtperiodizität. Bei B. malayi ist sie weniger bis gar nicht ausgeprägt. Die Vektoren sind nachtaktive Stechmükken.
- W. bancrofti ist weltweit in den Tropen verbreitet, B. malayi im pazifischen Raum. Beide haben stammspezifische Varianten und bilden Erreger- Überträger-Komplexe.
- Loa loa: Die adulten Würmer wandern im subkutanen Bindegewebe umher und verursachen flüchtige, lokale Ödeme. Die Mikrofilarien sind tagperiodisch und werden von Tabaniden der Gattung Chrysops übertragen.
- Mansonella perstans: Die adulten Würmer leben in den serösen Höhlen, die von M. streptocerca im subkutanen Bindegewebe, die von M. ozzardi im abdominalen Fettgewebe und den Mesenterien. Sie verursachen geringe bis keine pathologischen Veränderungen. Die aperiodischen Mikrofilarien werden von Ceratopogoniden übertragen.
- Die am häufigsten im Labor gehaltenen Filarien sind Acanthocheilonema viteae in Gerbilliden (adulte Würmer im subkutanen Bindegewebe, aperiodische Mikrofilarien zirkulierend, Vektoren Lederzecken), Litomosoides sigmodontis in Baumwollratten (adulte Würmer in Brust- und Bauchhöhle, aperiodische Mikrofilarien zirkulierend, Vektoren Milben), Dirofilaria immitis im Hund (adulte Würmer in der rechten Herzkammer, periodische Mikrofilarien zirkulierend, Vektoren Stechmücken) und Monanema martini in Streifenmaus und Nilratte (adulte Würmer in der Mucosa von Caecum und Colon, Mikrofilarien in der Haut von Ohren und Schnauze, Vektoren Schildzecken).
- Die circadiane Periodizität der Mikrofilarien beruht auf einem endogenen Rhythmus, der durch die körperliche Aktivität des Warmblüters und den dadurch bedingten höheren Sauerstoffverbrauch synchronisiert wird. Nachtperiodische Mikrofilarien werden tagsüber durch die höhere Differenz in der O2-Spannung zwischen arteriellen und venösen Kapillaren in der Lunge zurückgehalten. Bei tagperiodischen Mikrofilarien sinkt die Sensitivität auf die O2-Spannungsdifferenz durch die leicht erhöhte Körpertemperatur.
- Der Durchsatz oder Turnover der Mikrofilarien wird sowohl über die Fekundität der adulten Würmer als auch die Elimination der Mikrofilarien durch den Wirtsorganismus geregelt. Bei manchen Filarien ist mit einer kurzlebigen, in der Lunge stationären und einer langlebigen, peripher zirkulierenden Teilpopulation der Mikrofilarien zu rechnen. Die stationären Mikrofilarien binden gegen ihre Oberfläche gerichtete, zirkulierende Antikörper, sodass die übrigen ungehindert zirkulieren können und zur Übertragung bereit stehen.
- Der Invasionsweg der metazyklischen Larven folgt einer Lymphbahn-Herz-Lungen-Passage je nach Sitz der adulten Würmer verschieden weit.
- Die Immunreaktion wird durch die Häutungen der invasiven Stadien während der Präpatenz konditioniert und während der Patenz die defensiven Reaktionen supprimiert. Die entstehende Prämunition entspricht einer Revierverteidigung des Parasiten, die ein Crowding vermeidet und die Parasit-Wirt-Balance ökonomisch optimiert.
- Im Endwirt steigt die Wurmlast nach quantitativer Inokulation von invasiven Larven nur nach niedrigen Dosen proportional an. Bereits zwei invasive Larven verschiedenen Geschlechts führen in einem Drittel der Wirte zu einer patenten Filariose, höchste Dosen nicht zu einer letalen Überparasitierung.
- Filariosen enden spontan nach Ablauf der Lebenserwartung der adulten Würmer; sie ist bei humanparasitären Filarien auf 5-10 Jahre anzusetzen. Eine schützende Immunität fehlt. Länger anhaltende Filariosen beruhen auf Reinfestationen und sind im endemischen Gebiet die Regel.
- Die Populationsdynamik der Filarie beinhaltet zahlreiche Rückkoppelungen, sowohl im Wirbeltier-Endwirt als auch im Vektor. Die in der Endwirtspopulation negativ-binomiale Verteilung der Mikrofilarien im zirkulierenden Blut und ihre ebenso geklumpte Verteilung in der Haut garantiert auch bei geringer durchschnittlicher Dichte die weitere Entwicklung im Vektor.
- Im Vektor wird die Entwicklung von Mikrofilarien (MF) zu invasiven Larven durch drei unabhängige Beziehungen bestimmt:
(1) Zwischen der Rate absterbender Vektorindividuen (Mücken, Zecken etc.) und der Menge jeweils aufgenommener Mf besteht eine positive Korrelation. Je mehr Mf aufgenommen werden, desto häufiger sterben die Vektoren.
(2) Zwischen der Rate Vektoren ohne invasive Larven und der Menge aufgenommener Mf besteht eine negative Korrelation. Je mehr Mf aufgenommen werden, desto seltener sind Vektoren ohne Mf.
Kommentar: Nach dem Blutsaugen an Wirten mit Mf fliegen stets auch Mücken ab, die trotzdem keine Mf aufgenommen haben.
(3) Die aus Mikrofilarien sich entwickelnden dritten invasiven Larven verteilen sich in der Vektorpopulation negativ-binomial und zwar unabhängig von der Menge aufgenommener Mikrofilarien.
Kommentar: Bei jedem Angebot von Mf im Warmblüter (hoch oder nieder) verteilen sich später die entstandenen invasiven Larven in der Vektor-population negativ-binomial.
Auf diese Weise wird die Übertragungskapazität der Vektorpopulation (tägliche Inokulationsrate bzw. jährliches Übertragungspotential ATP) ausgeglichen und zwar unabhängig von der Vektorkapazität der Wirbeltier-Endwirtpopulation, d.h. des Totals in den Wirbeltier-Endwirten vorhandener Mikrofilarien.
- Die beim Menschen zu beobachtenden, schweren B Erscheinungen treten erst nach lang anhaltender Patenz auf; oft besteht bereits Postpatenz.
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