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Zusammenfassungen der Kapitel

Kurzfassungen des Buches

2.1 Malaria und Culiciden

2.1.1 Verlauf der Parasitose

- Malaria tritt in drei klinischen Erscheinungsformen oder Nosodemen auf: Malaria tertiana (Plasmodium vivax, P. ovale), M. quartana (P. malariae) und M. tropica (P. falciparum). M. tertiana und M. quartana waren ursprünglich auch in den nördlichen gemäßigten Zonen verbreitet. M. tropica ist nur in tropischen Gebieten endemisch.

- Plasmodien sind Sporozoen (syn. Apikomplexa). Sie kommen außer beim Menschen und vielen Primaten auch in Fledermäusen und Nagetieren vor, dagegen nicht in Caniden (Hundeartige), Suiden (Schweine), Ovinen (Schafe) und Bovinen (Rinder). Vögel und Reptilien haben ebenfalls Plasmodien als Parasiten.

- Die Sporozoiten von Plasmodien der Säuger werden von Culiciden, Stechmücken der Gattung Anopheles, übertragen. Sie verlassen die Blutbahn von den ersten Sekunden an, um in Leberparenchymzellen einzudringen. Dort erfolgt eine Leberzellen- parasitäre Phase, die bei menschlicher Malaria je nach Plasmodienart auf 13 bis 15 Zweiteilungen begrenzt ist. Bei P. vivax und P. ovale bilden sich außerdem Hypnozoiten, die sich erst später teilen und zu Rückfällen führen.

- Die anschließende Erythrocyten-parasitäre Phase beginnt synchron durch die gleichzeitig aus den Lebermeronten frei werdenden Merozoiten. Im Blut laufen die ersten Merogoniezyklen praktisch ohne Verluste ab. Sobald eine für den Erhalt der Parasitose sichere Dichte im zirkulierenden Blut erreicht ist, setzt Fieber ein, das die Erfolgsrate der Merozoiten beim Befall neuer RBC drastisch reduziert. In dieser kritischen Phase, insbesondere bei Erstinfektion, kann die Parasitämie bei P. falciparum überschießen und vor allem bei Kindern rasch zum Tod führen.

Die Merogoniezyklen im zirkulierenden Blut enden nach einiger Zeit von selbst. Dabei weist jedes Plasmodium eine spezifische Lebenserwartung auf, erkennbar an der mittleren Anzahl Fieberzyklen bzw. Dauer der unbehandelten Infektion.

- Eine durch Antikörper vermittelte Dichteregulation führt zu einer annähernd konstanten Parasitämie. Je nach der Anzahl Merozoiten pro Meront, dem Vermehrungsfaktor, ist mit einer erheblichen Einschleusung von Fremdeiweiß in den Wirtsorganismus zu rechnen. Zugleich schützt ein kurzfristiger Antigenüberschuss im Blut, der smoke screen, die Merozoiten bis zum Befall einer neuen RBC vor zirkulierenden Antikörpern.

- Die Stabilisierung der Erhaltungsphase beruht wahrscheinlich auf einer dynamischen Modulation der Immunantwort durch das Plasmodium.

- Die Trophozoiten erzeugen periodisch geschlechtlich differenzierte Gamonten, aus denen im Darm der Mücke innerhalb von Minuten Mikrogameten ausschwärmen, die die Makrogameten befruchten. Die Zygote (Ookinet) penetriert die peritrophe Membran und entwickelt sich in der Basallamina einer Mitteldarmzelle zur Oocyste. Aus ihr gehen nach einer Meiose und 12 Teilungen etwa 4.000 Sporozoiten hervor (P. falciparum), die über die Hämolymphe in die Speicheldrüsenzellen der Mücke eindringen. Sie werden in der Regel beim übernächsten, dem dritten Blutsaugen übertragen.

- Es entsteht keine schützende Immunität, die spontane Selbstheilung ist primär nicht immunologisch bedingt.

- Zellparasitismus bei kürzesten Umsteigezeiten der Merozoiten, Selbstkontrolle der Vermehrung, Synchronisation der Stadien, dauernde Einschleusung von Plasmodium-Antigenen und damit verbundene positive und negative Rückkoppelungen garantieren eine lang dauernde Balance zwischen Plasmodium und Wirtsorganismus. Sie führt zu einer maximalen Durchseuchung der Bevölkerung bei begrenzter Letalität.

- Die sog. Chemoprophylaxe ist eine Dauermedikation auf Verdacht.


2.1.2 Biologie der Culiciden

- Die Stechmücken oder Culiciden sind Zweiflügler (Diptera) und gehören zur Unterordnung Nematocera.

- Culiciden sind Stillwasserbrüter: Ihre Larven und Puppen entwickeln sich nur in stehenden Gewässern, allerdings der verschiedensten Typen.

- Die hydrochemischen Bedingungen des Brutgewässers sind spezifisch und bestimmen die geographische und saisonale Verbreitung der Gattungen, Arten und zytotaxonomischen Typen (s. 2.2.2; S. 43).

- Die Geschlechter finden sich über akustische Reize, indem die schwärmenden Männchen die artspezifische Frequenz des Flügelschlages der Weibchen mit ihren besonders differenzierten Antennen hören.

- Die Weibchen orientieren sich nach ihren Blutwirten mit Hilfe einer Kette von Reizen. Vom Wirt ausgehende Duftstoffe veranlassen sie als Erstes zum Auffliegen. Danach orientieren sie sich wiederholt negativ anemotaktisch. Erst in der Nähe des Blutwirtes werden sie durch steigende Konzentrationen von CO2 in dessen nähere Umgebung geführt. Danach spielen Körperwärme und Feuchtigkeit der Haut eine dominierende Rolle.

- Die Weibchen sind sowohl Kapillar- als auch Poolsauger. Während des Einstechens wird rhythmisch Speichel abgegeben. Blut wird unmittelbar in den Mitteldarm, Nektar zuerst in den Kropf aufgenommen.

- Das Mikroklima an den spezifischen Ruheplätzen zur Blutverdauung ist auch für die Entwicklung aufgenommener Parasiten wichtig. Es kann die geographische Verbreitung des Plasmodiums enger begrenzen als die der Mückenart.

- Das Alter der Weibchen lässt sich anhand der Zahl abgelaufener gonotropischer Zyklen bestimmen. Plasmodien werden unter Freilandbedingungen beim übernächsten, gewöhnlich dritten Blutsaugen nach der Aufnahme von Gamonten übertragen.


2.1.3 Quantitative Epidemiologie

- Die Prävalenz bezeichnet den Bestand an manifesten Erkrankungsfällen in einer Bevölkerung, die Inzidenz die Anzahl Neuerkrankungen in der Zeit., die Letalität die Rate der an Malaria Verstorbenen bezogen auf die Erkrankten (medizinischer Aspekt).

- Die Populationsdynamik des Parasiten, hier des Plasmodiums, bezeichnet dessen quantitative Veränderungen in der Zeit (biologischer Aspekt).

- Die Population eines Parasiten umfasst die Summe der individuellen Parasitenlasten. Diese verteilen sich in der Wirtspopulation negativ-binomial. Bei stabiler Endemie heben sich Zustrom (acquisition) und Abstrom (removal) in die Gesamtpopulation auf und ergeben den Durchsatz (turnover). Dessen absolute Größe ist der Massenwechsel.

- Die potentiell von der Parasitose bedrohte Bevölkerung ist die Risikopopulation.
- Die Prävalenz der Gamontenträger mal Dichte der Gamonten im Blut bilden das infektiöse Reservoir.

- Die Eignung der Vektoren für die Übertragung der Malaria schätzt man mittels der Vektoreffizienz. Sie umfasst die Anthropophilie der Mücke, die mittlere Lebenserwartung (Alter) der infizierten Mücke, ihre Empfänglichkeit, die Saugrate und Dauer und die mittlere Sporozoitentracht. Alle diese Werte sind endogen bedingt, d.h., unabhängig von der Populationsdichte der Vektoren und ihrer Wirte.

- Endogene Faktoren des Plasmodiums kompensieren saisonale Schwankungen, sowohl der Populationsdichte der Vektoren, als auch der Empfänglichkeit des Warmblüters (Mensch), ferner Verluste durch die Altersdrift und beim Stadienwechsel im Warmblüter.

- Die Vektorübertragung erforderte in der Evolution eine Anpassung an zwei Wirte aus verschiedenen Tierstämmen. Die bei steigender Komplexität erweiterten Möglichkeiten für Rückkoppelungen bieten dem Parasiten größere Überlebenschancen.

- Zyklisch übertragene Parasitosen sind überaus erfolgreich. Ihre basale Fallreproduktionsrate (R0) ist mehrfach höher als die der bakteriellen oder viralen Infektionen.

- Die Prävalenz der Malaria nimmt mit steigenden Altersklassen allgemein ab. In bestimmten Regionen kann sie saisonal erheblich variieren, desgl. die Dichte der Trophozoiten und Gamonten. In diesem Fall ist sie in den obersten Altersklassen zu Beginn der Regenzeit am höchsten. Dadurch wird die Altersdrift des Plasmodiums kompensiert und die Übertragung mit zunehmender Mückendichte begünstigt.
- Ein saisonales Shifting steuert die Merogoniezyklen im Blut in solche mit und ohne Gamontenbildung. Zugleich nimmt mit schwindender Exposition z.B. in der Trockenzeit, die Empfänglichkeit des Menschen wieder zu. Zusammen mit einem hohen Anteil von Gamontenträgern zu Beginn der Regenzeit löst dies einen Kaskadeneffekt aus, der die Übertraggung rasch ankurbelt.

Synopsis der Überlebensstrategie von Plasmodium falciparum

Faktoren
welche die Parasitenpopulation regulieren
VEKTOR
r-selektioniert
ENDWIRT
K-selektioniert
Populationsdichte
groß
klein
Saisonale Dichte variabel
konstant
Potenzielle Prävalenz
niedrig (ca. 1%): alternativ hoch (bis 90%): saisonal
Empfänglichkeit
genetisch determiniert variabel
Lebenserwartung
Parasit : Wirt
2 Monate/2 Monate = 1
Kinder 16 Inf. / 5 Jahre = 3,2
Erwachs. 1,5 Inf./5 Jahre = 0,3
Befall des Wirtes
einmalige Infektion mehrfache Infestation
Kontrolle der Vermehrung des Parasiten
Zeitfenster für die Invasion der Ookineten
limitierte Sporogonie
limitierte Merogonie i.d. Leber
regulierte Merogonie im Blut
Beeinflussung des Wirtes
physiologische Modifikation des Verhaltens Prämunition bewirkt Revierverteidigung des Parasiten
Abwehr-Mechanismen
Internal Defence System
ererbt, nicht erinnert
reversibel
Immun-Reaktion
erinnert, nicht vererbt
irreversibel

Saisonale Kompensation der Gamogonie von Plasmodium sp. und Empfänglichkeit des Menschen. Daten aus Molyneaux and Gramiccia 1980.




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