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Kala Azar und Orientbeule, die Entdeckungsgeschichte der Leishmaniasen

Der Erreger der viszeralen oder Eingeweide-Leishmaniose Leishmania donovani ist nach zwei britischen Ärzten benannt. Sie beschrieben, wie sie glaubten erstmals, die geißellosen Stadien mit einem Kinetoplasten im Milzpunktat verstorbener Soldaten aus dem Kolonialdienst. Beide waren während ihrer jahrelangen Tätigkeit als Militärärzte (Pathologen) in Indien zuerst der allgemein verbreiteten Ansicht gefolgt, es handle sich bei der fraglichen fieberhaften Erkrankung, verbunden mit einer schmerzhafen Milzschwellung, genannt „Kala Azar“ (schwarze Haut), um eine besonders schwere Form der Malaria. Deren Erreger war von Laveran 1880 in Algerien erstmals erkannt worden und auch sie ist von einer Milzschwellung begleitet, führt aber ohne Behandlung nicht so unausweichlich zum Tod wie Kala Azar.

Die Zeit von etwa 1850 bis 1950 war in der Medizin das Zeitalter der Mikroskopie, so wie wir die nachfolgenden Jahrzehnte bis heute als von der Molekularbiologie geprägt ansehen können. Mit dem Mikroskop konnte man damals bahnbrechende Entdeckungen machen. Erinnert sei an Louis Pasteur, Robert Koch, Alfonse Laveran, Ronald Ross, um nur die für tropische Parasitosen wichtigsten Forscher zu nennen. Allerdings genügte das Mikroskop alleine nicht, es musste noch etwas hinzu kommen: Die richtige Fragestellung. Dazu musste man sich meistens von vorgefassten Leitbildern abwenden. Auch heute reichen eine Sterilbank und kartonweise Pipetten alleine nicht aus, um z.B. eine Vakzine gegen eine proto- oder metazoische Parasitose zu entwickeln. Mit neuen Techniken müssen zugleich neue Hypothesen folgerichtig formuliert werden.

Entdecker:
Erreger:
Pasteur und Koch
lebendes Agens
Laveran
mitunter Protozoon
Ross
Entwicklung im Vektor

Erstmals erkannt und richtig beschrieben hat die Leishmanien Peter Fokitsch Borowsky, der 1892 als Militärarzt in Taschkent der chirurgischen Abteilung eines Militärhospitals vorstand. Damit war auch die Leitung des bakteriologischen Labors verbunden, für das er ein Zeiss-Mikroskop mit Ölimmersion mitgebracht hatte. Er untersuchte ein in Mittelasien verbreitetes chronisches Hautgeschwür, das als Sarten-Geschwür, Pendinka oder einfach als Orientbeule bezeichnet wurde. In der geschwollenen Randzone fand er in Zellen, die er mit der Injektionsnadel angesaugt hatte, regelmäßig zahlreiche Körperchen, die er richtig als Protozoen und Erreger des Geschwürs erkannte. Er berichtete darüber in den Sitzungen der Gesellschaft für Naturforscher in Kiew und in Petersburg und publizierte seine Beobachtungen 1898 ausführlich in deren Zeitschrift Wojenni medizinski Journal. Die Veröffentlichung blieb unbeachtet, vermutlich weil die Erkrankung nicht lebensbedrohlich war und endlich von selbst abheilte, wenngleich besonders oft im Gesicht (Nase, Wangen, Stirn) entstellende Narben zurückblieben. Die Übertragung durch Schmetterlingsmücken (Phlebotominen) soll ebenfalls in Weißrussland Saul Adler, Sohn eines Rabbiners, der sich für den Arztberuf entschieden hatte, nachgewiesen haben. Er gilt als einer der lange übersehenen Pioniere der Tropenmedizin (Gavron 1998).

William Leishman und Charles Donovan gaben die Malaria-Hypothese endlich auf, weil sie bei Kala Azar meistens keine Parasiten in den roten Blutkörperchen fanden, wenn das jedoch der Fall war, keine „Donovan-Körperchen“ in den Milzellen. Diese waren im Mikroskop von den in der Milz massenhaft auftretenden Malaria-Pimentkörnchen zu unterscheiden. Erst die geduldige Untersuchung zahlreicher Todesfälle erlaubte es, die ebenfalls vorkommenden Mischinfektionen beider Krankheiten als solche zu erkennen. Beide Forscher publizierten ihre Befunde unabhängig voneinander, Leishman im Mai 1903 im British Medical Jounal, Donovan im Juli 1903 im Indian British Medical Journal. Ronald Ross, der 1902 den Nobelpreis für die Übertragung der Malaria durch Stechmücken erhalten hatte, schlug vor, den Erreger Leishmania donovani zu nennen.

Offen blieb die Frage nach der Übertragung der viszeralen Leishmaniose. Leonhard Rogers (1904) versuchte den Erreger in vitro zu züchten, wie es die Henle-Koch’schen Postulate verlangten. Er brachte Gewebe aus Milzpunktat in Zitratblut als Medium. So dilettantisch uns das heute erscheinen mag, die Leishmanien entwickelten lange Geißeln, was sie als Flagellaten charakterisierte. Sie ähnelten Leptomonaden, welche in Insekten vorkommen. Sie könnten deshalb ebenso wie die Trypanosomen der Rindertrypanosomiasis Nagana in Südafrika von einem blutsaugenden Insekt übertragen werden, wie das vor kurzem David Bruce 1894 – 1897 herausgefunden hatte. Gezielte Versuche, z.B. mit Bettwanzen schlugen indessen fehl (n. Geigy und Herbig 1955, S 158-59).

Den Erreger der Orientbeule wies Wright 1903 erneut nach und nannte ihn Heleosoma tropicum. Er stimmte nach Untersuchungen von Marzinowsky und Bogroff (1904) an einem Knaben, der sich in Persien infiziert hatte, im mikroskopischen Bild mit L. donovani überein, sodass der heutige Name Leishmania .tropica gerechtfertigt schien. Die Beobachtungen an der Orientbeule brachten auch die Lösung ihrer Übertragung: Die Lokalisation der Geschwüre an Körperstellen, die beim Schlafen im Freien auf Dächern unbedeckt blieben (Gesicht, Arme, Füße) entsprachen den Stichstellen winziger Mücken der Phlebotominen. Dass sich diese allein an den Geschwüren infizieren sollten, war vor allem bei der trockenen Form schwer vorstellbar. Erst als Leishmanien auch in der Haut von Hunden und Kleinsäugern entdeckt wurden, selbst wenn sie keine Geschwüre aufwiesen, begriff man sie als endemisches Reservoir.

Die zyklische Entwicklung ausschließlich in Phlebotominen bewiesen erst Wenyon (1911) in Aleppo, Adler und Theodor in Jerusalem (1925 – 29), Sergent et al. sowie Beguet in Algier (1931). Nach und nach wurde bekannt, wie im Darm der Mücke aus unbegeißelten, amastigoten Formen begeißelte hervorgingen, die im Experiment mit Hamstern zunächst nicht infektiös waren. Dies bestätigten zuletzt auch Laveran und Franchini (1920) in Frankreich (n. Geigy und Herbig 1955, S. 164).

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Es bedurfte bei Kala Azar als Allgemeinerkrankung noch zahlreicher Experimente bis auch die Übertragung von L. donovani zweifelsfrei gelöst war. 1924 gelang es dann einer britischen Kala Azar-Kommission unter Lionel Everad Napier in Indien Phlebotomus argentipes an Kala Azar-Kranken mit über 90% zu infizieren. In den Behausungen von Kranken sind Phlebotominen etwa zu 1%, selten bis zu 10% natürlich infiziert. Dies zeigten Shortt, Barraud und Craighead. Hunde und Wildkaninchen bilden ein natürliches Resevoir. Die Parasitose kann sich aber offenbar auch ganz ohne deren Beteiligung in menschlichen Populationen rasch epidemisch ausbreiten. Die zyklische Übertragung im Tierexperiment gelangen Napier, Smith und Ahmed (1940, 1941), danach auch die Infektion des Menschen (Swaminath et al. 1942). Napier entwickelte eine Serodiagnose, die sich im Feld bewährte, und die erste erfolgreiche Therapie mit Antimon-Präparaten.

Eine natürlich vorkommende Hautleishmaniose des Meerschweinchens, Erreger L. enrietti, dient heute zu Tierexperimenten. Die Geschwüre kommen nur an den Ohren und im Nasenbereich vor und lassen sich durch Biopsien mit der Injektionsnadel von Tier zu Tier übertragen. Die Infektion hinterlässt eine generalisierte Immunität, was auch bei der Orientbeule der Fall ist. Dies nutzten schon in alter Zeit die Juden von Bagdad und Mosul zur Variolation, um ihre Kinder vor entstellenden Narben im Gesicht zu schützen (Hirsch: Geschichte der Orientbeule 1886).

Nach der Entdeckung der Erreger der Leishmaniosen der Alten Welt, wurden nach der Wende des Jahrhunderts auch die Erreger der südamerikanischen Haut- und Schleimhaut-Leishmaniosen erkannt. Es handelt sich sämtlich um Zoonosen, die beim Bau der Transamazonica durch den Regenwald Brasiliens erneut in Erscheinung traten. Ihre zyklische Übertragung durch Phlebotominen beschrieb erstmals Cerqeira 1919. Die Existenz dieser Erkrankungen in prähistorischer Zeit beweisen indianische Terrakottafiguren, welche menschliche Köpfe mit den für Espundia typischen nasopharyngealen Deformationen darstellen.

Den Ursprung der Leishmaniosen der Säugetiere vermutet man in Eidechsen der Alten Welt. Sie werden von Schakalen und Füchsen gejagt. Beim Menschen sollen die Erreger aus Eidechsen eine milde Form der viszeralen Leishmaniose erzeugen, was für eine Vakzine von Wert sein könnte. In der Alten Welt findet man Leishmaniosen in zahlreichen Kleinsäugern der Steppen und Savannen; in der Neuen Welt nur in solchen der Regenwälder (n. Garnham 1971).

Alle geschilderten Erkenntnisse stützten sich bis dahin nur auf mikroskopisch erhobene Befunde bzw. analysierte Experimente. Mit dem Elektronenmikroskop war lediglich neu zu erkennen, dass auch die geißellose Gewebeform ein Relikt der Geißel besaß. Erschwerend war die große Breite der klinischen Erscheinungen.

Viszerale Leishmaniose
Fieberhafte generalisierte Erkrankung
ohne schützende Immunität
unbehandelt stets letal
Orientbeule
lokales chronisches Geschwür
mit schützender Immunität
unbehandelt stets selbstheilend

Die neuen Möglichkeiten der Gewebekultur erlaubten es, genügende Mengen der Erreger zu erhalten, um diese mit Isoenzymen genauer zu typisieren. Allerdings fand man für jede Gruppe von Krankheitserscheinungen, jedes Nosodem (Symptomatik und Pathologie) mehrere Zymodeme mit wechselnden Graden der Übereinstimmung. Dieser Vielgestaltigkeit begegnet man auch bei der DNA - Analyse des Zellkerns und des Kinetoplasten. Trotzdem sind diese Verfahren wichtige Hilfsmittel der Diagnose. Epidemiologisch lassen sie sich nur begrenzt einsetzen; gemessen am technischen Aufwand sind ihre Ergebnisse nur eingeschlänkt schlüssig zu deuten.


Literatur

- Garnham PCC (1971) Progress in Parasitology. Athlone Press, London, 224 pgs.

- Gavron G (1998) Saul Adler: Pioneer in Tropical Medicine. A Biography. Besprechung in: Trans. Roy. Soc. T.M.H. 92, 237-238.

- Geigy R und Herbig A (1955) Erreger und Überträger tropischer Krankheiten. Recht und Gesellschaft, Basel, 472 S. Abb. Tab.
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