Saint Lucia/Karibik
Das erste größere Projekt zur Bekämpfung der Bilharziose, gegründet auf erschöpfende epidemiologische Daten, wurde von 1970 bis 1981 auf der Insel St. Lucia in der östlichen Karibik durchgeführt (Jordan, 1985). Dort ist Darmbilharziose durch Schistosoma mansoni seit 1924 bekannt. Zwischenwirt ist Biomphalaria glabrata. 1965 wurde ein Departement zur Erforschung und Bekämpfung eingerichtet, dessen erste Aufgabe darin bestand, verschiedene Bekämpfungsstrategien in Pilotprogrammen zu evaluieren.
Die Insel vulkanischen Ursprungs ist 616 km2 groß. Die zahlreichen, bis 600 m hohen Berge werden vor allem im Norden und im Zentrum von dichtem Regenwald bedeckt. Von der höchsten Erhebung (950 m) laufen die Flüsse radial in die Karibische See bzw. den atlantischen Ozean. Sie dienen in den breiten küstennahen Tälern zur Bewässerung von Plantagen für Bananen, Zitrusfrüchte, Kakao und Kokosnüsse. Im Hochland fallen im Mittel über 3000 mm Regen pro Jahr, im niederen Norden und Süden weniger als 1500 mm. Diese Mengen variieren um das Doppelte des Minimalwertes. Hinzu kommen Wirbelstürme mit Flutwellen, welche die Schneckenpopulationen in einzelnen Flusstälern vorübergehend vernichten können. Die Überschwemmung insbesondere von Bananenkulturen kann B. glabrata zugleich über große Flächen verbreiten. Etwa alle 6 Jahre ist mit maximalen Niederschlägen zu rechnen; dazwischen liegen Perioden mit besonders trockenen Jahren. Ursprünglich wurde Ingwer, Baumwolle und Tabak angebaut, später bis 1963 Zuckerrohr und heute hauptsächlich Bananen, zu zwei Dritteln in kleineren Plantagen. In deren Bewässerungsgräben lebt B. glabrata. Die Prävalenz von Schistosoma mansoni erreichte bei den Plantagenarbeitern und ihren Familien holoendemische Werte. Die Bevölkerung betrug 1980 etwa 130 tausend Einwohner (1998: 145 tausend). Die Hälfte ist unter 15 Jahre alt. Die ethnisch beherrschende Gruppe sind die Kariben, Nachfahren der Sklaven afrikanischen Ursprungs. Sie siedeln in den küstennahen Flusstälern in Dorfern von 20 bis 100 Häusern. An Städten gibt es zwei Tiefwasserhäfen (Castries und Vieux Fort), beide ohne endemische Bilharziose. Pro Jahr besuchen knapp eine halbe Million Touristen, besonders aus den USA, Großbritannien und Deutschland die Insel; 40 % davon sind Teilnehmer von Kreuzfahrten. Entsprechend der reichen geographischen Gliederung und Variation der klimatischen Faktoren ließen sich alle grundlegenden epidemiologischen Parameter der Darmbilharziose untersuchen und die verschiedensten Strategien zu ihrer Bekämpfung erproben. Die dabei erhobenen Befunde bilden die bisher umfangreichste und genaueste Datensammlung zur Darmbilharziose durch S. mansoni. In den 6 verschiedenen Flusstälern mit ausgedehnten Plantagen konnte die Parasitose mit integrierten Maßnahmen, d.h. durch Chemotherapie mit Praziquantel, Schnecken-Bekämpfung (mit Niclosamid, aber auch biologisch) und hygienischen Maßnahmen (Bau von Latrinen, Versorgung mit reinem Wasser) soweit unter Kontrolle gebracht werden, dass schwere pathologische Erscheinungen selten wurden, bzw. ganz ausblieben. Der Aufwand zur Erhaltung dieser Situation wird durch den Gewinn an wirtschaftlicher Produktion mehrfach aufgewogen, erfordert aber ständigen Einsatz.
El Fayum/Ägypten
Die Ansiedlung ("Oase") El-Fayum ist mindestens seit pharaonischer Zeit durch den Joseph-Kanal, Bahr el-Youssef, mit dem Nil verbunden. Er führt heute täglich 9-11 Millionen m³ Wasser ins Zentrum einer bewässerten Region von knapp 2.000 km². Sie wird zusammen mit dem Salzsee Birket el Quarum im NW, wo das durchlaufende Wasser verdunstet, allseits von Wüste umschlossen. Dort leben 1,4 Millionen Menschen. Die landwirtschaftlich genutzte Zone dehnt sich 50 x 30 km aus und wird mit einem System von Gräben bewässert, die zusammen nahezu 40 tausend km lang sind. Die Prävalenz der endemischen Blasenbilharziose betrug vor Beginn der Bekämpfung 1968 etwa 45 %; eine Viertel-Million der Bewohner wies Krankheitssymptome aller Schweregrade auf. Die Schnecken, Bulinus truncatus, fanden sich in allen Gewässern.
Die einmalig günstigen geographischen Verhältnisse - allseits umgebende Wüste und ein einziger Zufluss - erlaubten die Erprobung eines Molluscicids, Niclosamid (Bayluscid®) bei 1 ppm und mindestens 8 Std. Kontaktzeit. In der Angriffsphase benötigte man jährlich 90-130 to des Präparates mit 70 % Wirkstoff. Dies entspricht etwa 60-90 to Wirksubstanz, die ausgebracht wurde. In der Konsolidierungsphase ab 1972 genügten 40 to Präparat, in der folgenden Erhaltungsphase schließlich 25 to pro Jahr. Während der gesamten Aktion sank die Rate der jährlichen Neuerkrankungen (Inzidenz) stetig, bis sie 1976 unter die Grenze der Nachweisbarkeit fiel, wobei man das Urinsediment von Schulkindern untersuchte.
Niclosamid reichert sich nicht im Boden an. Das behandelte Wasser kann zur Bewässerung der Anbauflächen (Bananen, Baumwolle, Zuckerrohr, Weizen, Mais, Zitrusfrüchte, Bohnen, Reis, Linsen, Gerste und Erdnüsse) ohne weiteres verwendet werden. Für Fische und Frösche ist Niclosamid bei 1 ppm jedoch bereits toxisch und auch die übrige Limnofauna reagiert sensibel. Menschen, Ziegen. Schafe und Rinder sind nicht gefährdet, 50 mg/kg werden von Säugetieren akut gut vertragen. Die Absorption im Darm ist gering; der aufgenommene Anteil wird über die Nieren rasch ausgeschieden. Beim Hantieren mit dem unverdünnten, puderförmigen Präparat muß eine Maske getragen werden, um Reizungen der Schleimhäute (Augen, Nase) zu vermeiden.
Obwohl in El Fayum das gesetzte Ziel 1976 vollkommen erreicht worden war, ließ es sich langfristig nicht stabilisieren. 1982 waren wieder über 20 % der Schulkinder befallen, 1986 in einem Dorf im strukturell unterentwickelten NW sogar 85 %. Die Betreuung des Projekts wurde 1977 in der Erhaltungsphase den einheimischen Behörden übergeben. Die Ursachen der erneuten Durchseuchung der Bevölkerung sind wahrscheinlich vielfältig: Mangelnde Sorgfalt bei der Ausbildung der mit der Applikationstechnik betrauten Personen dürfte eine erhebliche Rolle spielen. Da die Löslichkeit von Niclosamid bei steigendem pH rasch abnimmt, muß dessen Anstieg über Tag berücksichtigt werden. Dies ist technisch nicht einfach zu verwirklichen. Eine etwa durch Selektion gesteigerte Resistenz der Schnecken konnte bisher nicht nachgewiesen werden.
Blue Nile Health Project
Südlich Khartum/Sudan liegt im Winkel zwischen Weißem und Blauem Nil die 160 km lange Gesireh-Region, die seit 1925 großflächig durch einen Staudamm des Blauen Nil (Bar el-Asrak) bei Makwar bewässert wird. Ab 1961 erweiterte man die Fläche um die Managil-Region, welche sich dem weißen Nil bis auf 10 - 20 km nähert. Ein weiteres, seit 1966 bewässertes Gebiet, das Rahad, liegt ostwärts des Blauen Nil. Die drei Regionen umfassen 10.500 km², ein Gebiet etwa von der Größe Belgiens. Heute werden dort 70 % der im Sudan produzierten Baumwolle angebaut.
Die Bevölkerung von 2,7 Millionen Menschen wird in den größeren Städten aus Tiefbrunnen über ein System von Wasserleitungen mit einwandfreiem Wasser versorgt; in den mittleren und kleineren Städten ist dies nur teilweise der Fall. Auf dem Land ist man auf Oberflächenwasser angewiesen. In den zahlreichen, nicht registrierten Siedlungen der Baumwollpflücker steht nur Wasser aus dem Kanalsystem zur Verfügung. Saisonarbeiter leben in zeitweiligen Lagern ohne besondere Wasserversorgung. Ähnlich abgestuft ist die Ableitung der Abwässer geregelt. Schon immer waren Malaria und Blasenbilharziose endemisch, später kam Darmbilharziose dazu.
Als ein hochwirksames Medikament (Praziquantel) gegen Bilharziose und neue Molluscicide (Niclosamid) zur Verfügung standen, beschlossen die Weltbank und die Weltgesundheitsorganisation 1979 eine integrierte Bekämpfung, das Blue Nile Health Project, BNHP. Es richtet sich gegen Malaria (Plasmodium falciparum / Anopheles arabiensis), Darm- und Blasen-Bilharziose (Schistosoma mansoni / Biomphalaria pfeifferi sowie S. haematobium / Bulinus truncatus), ferner gegen Durchfallkrankheiten, alle Ursachen des Hustens, der Augen- und Hautkrankheiten. Nach Pilotprojekten von 1979 bis 1985 wurde ab 1986 die Bekämpfung im Kerngebiet begonnen, bis 1991 war die ganze Region erfasst.
Die Prävalenz der Blasen- und Darm-Bilharziose betrug 1981 im Durchschnitt des ganzen Gebietes rund 50 %. Schulkinder waren zu über 40 %, in manchen Gegenden zu 80 - 90 % befallen. Klinisch bedeutsame Symptome traten erst bei einer Wurmlast von über 100 Egelpaaren auf. Die uferlebende Nilratte, Arvicanthus niloticus, nach einem Bericht auch Hunde, bildeten ein natürliches Reservoir für S. mansoni.
Durch Massenbehandlung mit Praziquantel (Biltricid®, s. 1.9.2) und Schneckenbekämpfung mit Niclosamid, verbesserte Wasserversorgung und Aufklärung der Bevölkerung gelang es, im Laufe der ersten 10 Jahre die Prävalenz beider Bilharziosen auf Werte um 10 % zu senken. Dabei drückte man die Schneckendichte auf unter l % des ursprünglichen Wertes. Die Prävalenz infizierter Schnecken sank von zuvor rund 5 % auf 0,1 % (Bulinus truncatus) bzw. 0,2 % (Biomphalaria pfeifferi). Die Kontaktrate des Menschen mit cercarienhaltigem Wasser wurde durch den Bau von Filteranlagen drastisch vermindert, desgl. die Kontamination des Kanalsystems mit Eiern durch Einrichten von Abortanlagen. Die saisonalen Landarbeiter genossen durch diese Maßnahmen nur wenig Vorteile. Sie bilden, abgesehen von der Nilratte, den wichtigsten Reservoirwirt.
Die erreichte Situation weiter zu verbessern, erweist sich heute als kaum möglich. Würde man auch nur eine Komponente der Bekämpfung vernachlässigen, stiege die Prävalenz der Bilharziosen alsbald wieder an. Auch hier gilt: Nähert sich eine Bekämpfung ihrem eigentlichen Ziel, steigen die Anforderungen, es mit wirtschaftlichen Mitteln zu erreichen. Die Regelmechanismen des Parasiten in seinem Lebenszyklus greifen immer besser. Demzufolge werden alle Versuche in tropischen Ländern, große Landstriche flächendeckend künstlich zu bewässern, nicht ohne einen dauernden, integrierten Gesundheitsdienst auskommen. Dazu muß die Intensität der Übertragung auf den Menschen dauernd registriert werden; nur ein flexibler Einsatz der verschiedenen Komponenten der Bekämpfung kann den Erfolg optimieren.
Das Nil-Delta-Projekt
Ein Projekt zur integrierten Erforschung und Bekämpfung mit Schwerpunkt Chemotherapie wurde 1988 in den ländlichen Gebieten des Nildelta begonnen. Dort herrschte früher S. haematobium vor, wurde aber bis 1986 von S. mansoni überholt. Zur Diagnose diente ein Antigen-Nachweis mittels monoklonaler Antikörper auf lebende Egel. Er bewies bei 9500 Schulkindern eine Sensitivität von 90 % und eine Spezifität von 99 % verglichen mit der Ei-Ausscheidung. Diese wurde bei erfolgreicher Behandlung innerhalb von 3 Monaten vollkommen negativ. Bei einigen Personen blieb die Behandlung trotz steigender Dosen erfolglos. Von März bis Mai 1997 wurde 10 Millionen Schulkindern und allen Einwohnern von über 500 Dörfern eine Behandlung mit Praziquantel angeboten. Nach 6 Monaten war die Prävalenz um durchschnittlich 50 % gesunken. Zur Erfolgskontrolle untersuchte man 70 tausend Stuhl- und Urinproben in repräsentativen Siedlungen. Bluterbrechen wegen Oesophagus-Varizen behandelte man mit Verödung oder Ligamentation. Die zur Aufklärung der Bevölkerung eingesetzten Fernseh-Spots, gesondert gestaltet für Kinder, Lehrer und übrige Bevölkerung erreichte diese nachweislich flächendeckend. Das allgemeine Verhalten änderte sich grundlegend hinsichtlich des Wasserkontaktes. Allein die unkontrollierte Deposition von Faeces und Urin, sowie von Müll (Ratten!) ließ sich nicht befriedigend eindämmen. Eine gleichzeitige Bekämpfung der Zwischenwirte mit Niclosamid® mittels langsam sich auflösender Tabletten zweimal pro Jahr zur Zeit der höchsten Ausschüttung der Cercarien (Mai/Juni und August/September) dezimierte die Schnecken ausreichend, um einen Neubefall von Schulkindern zu verhindern. Die Inzidenz von Bluterbrechen und Blasenkrebs, die vorher häufig vorkamen, ging stark zurück. Die Prävalenz der Bilharziose ist im Nildelta für ägyptische Verhältnisse seither relativ niedrig. Zur Erhaltung des innerhalb von 10 Jahren Erreichten wird Praziquantel an die gesamte Bevölkerung dauernd kostenlos abgegeben und die Bekämpfung der Schnecken fortgesetzt (El Koby et al., 1998)
El Khoby, T., N. Galal, A. Fenwick (1998) The USAID / Government of Egypt’s schistosomiasis research project (SRP). Paras. Today 14, 92-96.
Jordan, P. (1985) Schistosomiasis: St. Lucia Project. Cambridge Univ. Press. 242 pgs.
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