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Tätigkeitsfelder und Perspektiven

Direkt übertragenen Parasitosen begegnet die Hygiene, so dass in unseren Breiten vor allem Nutztiere massenhaft befallen sein können. Zusammen mit den gewissermaßen in den Biotop des Menschen verpflanzten Haustieren (Hund, Katze) fallen sie in den Aufgabenreich der Veterinärmedizin. Sie ist darum auch das einzige Berufsfeld, in dem ein Fach Parasitologie obligatorisch zur Ausbildung gehört.

Leben Menschen bei schlechter Hygiene dicht beieinander, so sind direkt übertragene Parasiten wie z.B. Darmwürmer weit verbreitet. Ihre Eier bzw. ihre invasiven Stadien werden über Körperkontakt, kontaminierte Nahrung per os, aufgenommen. Die invasiven Larven der Hakenwürmer dringen durch die intakte Haut (percutan) im Bereich von primitiven Toiletten ein. Um diese Parasitosen einzudämmen, genügt es, den örtlich bedeutungsvollsten Übertragungsweg zu kennen.

Die bei uns in diesem Jahrhundert eingeführte Schwemmkanalisation wird sich in den Tropen mangels Wasser selten einrichten lassen. Stauseen dehnen sich bei geringer Tiefe über riesige Flächen aus. Ihre buchtenreichen Ufer lassen sich kaum gegen Abwässer oder Badende sichern, sodass sich vor allem Bilharziose in ihrer Umgebung trotz aller Vorsorge ausbreitet. Ausserdem eutrophiert ihr Wasser unter der Wärme rasch und muß darum aufwändig gereinigt werden. Zugleich verdunstet ein so großer Anteil, dass der Rest sparsam genutzt werden muß. Infolgedessen kann das Ziel, sauberes Wasser zum Trinken und zur Hygiene allgemein in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen, nicht mit den in unseren Breiten üblichen Verfahren erreicht werden. Die Sedimentation der in der Regenzeit reichlich eingeschwemmten Erde vermindert die Speicherkapazität alsbald.

Die zyklisch durch Vektoren übertragenen Parasitosen des Menschen und seiner Nutztiere beschränken sich zwar fast ausschließlich auf die Tropen. Ihnen ist mit Hygiene allein nicht beizukommen. Die Industrieländer sind jedoch auf Gedeih und Verderb mit der Dritten Welt verbunden. Dort leben heute schon zwei Drittel der Menschheit. Um ihre wirtschaftliche Abhängigkeit abzuschütteln, riskieren sie auch ökologische Missgriffe, die nicht nur die Umwelt bedrohen, sondern auch Tropenkrankheiten begünstigen, so dass die Wirtschaftshilfe in ihr Gegenteil umschlägt (s. kap. 7.2.1).

Die "Big Six" der Weltgesundheitsorganisation, nach Bedeutung geordnet: Malaria, Bil-harziose, Filariasis, Trypanosomiasis, Leishmaniasis und Lepra, werden mit Ausnahme der zuletzt genannten, alle zyklisch übertragen. Sie sind in jeder Hinsicht einzigartig, ihre pathoge-netischen Prozesse werden weder immunologisch noch epidemiologisch für eine Massenbekämpfung ausreichend verstanden. Selbst wenn die Eier mit Urin oder Faeces ausgeschieden werden, wie bei Bilharziose, und sie kontaminativ übertragen werden, müssen zu ihrer Bekämpfung Biologen, Techniker (Wasserbau), Wirtschaftler und nicht zuletzt Politiker dauerhaft zusammenarbeiten. Mediziner betätigen sich dabei im wesentlichen diagnostisch. Außerdem sorgen sie für ein breit gefächertes, therapeutisches Hilfsangebot, um die Mitarbeit der Bevölkerung und nicht zuletzt auch der Behörden zu sichern.

Als Epidemiologen sind z.B. Entomologen erforderlich, welche zugleich mathematische Kenntnisse (Statistik, Funktionstheorie) haben. Parasitologen müssen auch molekularbiologische, genetische sowie immunologische Techniken beherrschen (z.B. DNA-Hybridis-ierung oder monoklonale Antikörper gegen Oberflächen-Proteine zur Identifizierung der übertragenen Stadien). Spezialgebiete wie Hydrochemie, Populationsgenetik und Cytotaxonomie sind ebenso gefragt.

Um in den Entwicklungsländern die oben genannten "Big Six" unter Kontrolle zu bekommen, bedarf es der Zusammenarbeit der verschiedensten wissenschaftlichen und technischen Disziplinen. Wer sich berufen fühlt, muss entlegene Wissensgebiete wenigstens kennen (wenn nicht beherrschen) und kombinieren können. Die Forschungsziele werden meistens erst in Jahren, praktische Erfolge in der Bekämpfung in Jahrzehnten, erreicht. Für ein wissenschaftliches Projekt müssen meist mehrere Geldgeber gefunden werden, denen es zu berichten und abzurechnen gilt. Im Ausland benötigt man Genehmigungen der Gastländer, die sich personell beteiligen wollen, aber nicht finanziell. Mit der Forschung im Labor allein können die zyklisch übertragenen Parasitosen des Menschen und seiner Nutztiere nicht unter Kontrolle gebracht werden. Wir sind ebenso sehr auf die in den endemischen Gebieten zu gewinnenden Daten angewiesen. Ein vorwiegend karitatives Engagement erschöpft sich in der Forschung rasch.

Welche vielfältigen Faktoren in der Epidemiologie zyklisch übertragener Parasitosen einander beeinflussen, sei anhand der Malaria skizziert. Malaria wurde erst sekundär zur Tropenkrankheit, ursprünglich war sie auch über die gesamte nördliche Halbkugel bis nach Sibirien verbreitet. Sie verschwand Ende des 19. Jahrhunderts bei uns wie von selbst, bevor Erreger und Überträger überhaupt bekannt waren. Man begradigte die Flussläufe und entfernte damit die Brutplätze der Mücken von den menschlichen Siedlungen. Die Krankheit wurde meldepflichtig, akut Erkrankte oft nur wenige Kilometer entfernt in ein "besseres Klima" verlegt und damit den Mücken entzogen. Alles in allem wurde der Kontakt Mücke-Mensch auf ein Minimum herabgedrückt und die Übertraglingswahrscheinlichkeit sank unter den kritischen Wert, bei dem sich der Parasit noch erhalten konnte. In ganz Europa besteht heute der "Anophelismus ohne Malaria".

In den Tropen ist die Kontaktrate ungleich viel höher. Die Menschen kleiden sich, besonders in der Jugend, selten so wie bei uns. Außerdem schafft der saisonale Klimawechsel für die Vektoren gänzlich andere Bedingungen. So werden z.B. in den Savannengebieten Westafrikas die Mückenpopulationen der Culiciden und Simuliiden während der Trockenzeit ebenso drastisch dezimiert wie in den nördlich gemäßigten Zonen in Herbst und Winter. Ein erheblicher Anteil wird jedoch von den Monsunwinden in für sie günstige Zonen verfrachtet: Bei Beginn der Trockenzeit trägt sie der Harmattan aus der Sahara nach Südwesten in die feuchtheißen Waldgebiete. Zu Beginn der Regenzeit bringt sie die Gegenströmung von dort wieder zurück. Die von ihnen übertragenen Parasiten nehmen an dieser saisonalen Migration teil. Jede Bekämpfungsaktion muß auch die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessern, so dass der Erfolg später von ihr selbst gesichert werden kann. Abgesehen von Kleidung, Wohnung, Hygiene, sauberem Trinkwasser und einwandfreier Nahrung, muss ein ausreichender Bildungsstand gewährleistet sein.

Unwissenheit fördert Krankheit, diese bedeutet Armut.

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