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4.4 Pest und Flöhe

- Die Erreger der Pest Yersinia (syn. Pasteurella) pestis sind kurze, unbewegliche, gram-negative Bakterien, die bipolar anfärben. Die fakultativ anaeroben, ellipsoiden Stäbchen sind oft eingekapselt. Sie vermehren sich rasch und produzieren große Mengen Toxin. Sie halten sich trocken in Fäzes von Flöhen 4 Wochen, feucht in Flöhen und bei Temperaturen unter 0 °C bis zu 18 Monate. Sonne und Desinfektionsmittel töten sie rasch ab.

- Die enzootische Übertragung unter wilden Kleinsäugern in Steppen und Hochländern geschieht ohne auffallende Letalität ausschließlich durch deren jeweilige Flöhe. Diese gehen auf Müllplätzen auch auf Ratten über. Ein epizootisches Rattensterben wird unter Rattus rattus (Hausratte) vornehmlich durch Xenopsylla cheopis (tropischer Rattenfloh) ausgelöst; unter R. norwegicus (Wanderratte) jedoch durch Nosopsyllus fasciatus (europäischer Rattenfloh).

- Bei der Übertragung von Yersinia pestis von Ratten auf den Menschen spielt X. cheopis die wichtigste Rolle. Er ist in warmen Ländern weltweit verbreitet. Pestbakterien werden in seinem Darm bei 15 – 20 °C und 85 – 95 % relativer Feuchte innerhalb von 5 Tagen reif für eine Übertragung; bei 20 °C werden 30 Tage benötigt. Diese Spezies ist für die Verschleppung auf Schiffen zusammen mit R. rattus in Getreide verantwortlich und hält sich dauerhaft in Heizungskanälen von Großstädten in Mitteleuropa. -- N. fasciatus ist an R. norwegicus gebunden und wenig anthropophil. Die Spezies überlebt bei 7 – 10 °C nicht infiziert ohne Blutnahrung 95 Tage, infiziert 47 Tage; bei 27 °C nur 28 Tage. Sie bildet damit ein Reservoir für Pestbakterien.

- Die Pest manifestiert sich primär durch Befall der regionalen Lymphknoten als Beulen- oder Bubonenpest. Sie wird zyklisch allein durch Flöhe, nicht durch Kontakt übertragen, desgleichen nach hämatogener Aussaat die septikämische Pest. In beiden Fällen müssen sich die Pestbazillen im Magen der Flöhe vermehren. Allein die Lungenpest wird durch Tröpfcheninfektion ohne Beteiligung von Flöhen übertragen. Eine rasche Diagnose ist nur bakteriologisch oder molekularbiologisch möglich. Verdächtige Fälle müssen unverzüglich mit Antibiotika behandelt werden ohne die Laborbefunde abzuwarten.

- Biologie der Siphonaptera: Die Flöhe sind holometabole, temporäre Fellparasiten bei Warmblütern mit hoher Wirtsspezifität. Ihre Eier fallen in deren Nester, Lagerplätzen und Schlafbauten. Für die Embryogenese von 2 – 14 Tagen benötigt N. fasciatus mindestens 5 °C , X. cheopis mindetsens 13 °C und mäßige Feuchte. Die fußlosen Larven häuten sich abhängig von der Temperatur in Intervallen von 1 – 24 Wochen dreimal. Sie verzehren Detritus und benötigen getrocknetes Blut als Quelle für Eisen. Dazu geben adulte Flöhe während des Blutsaugens unverdautes Analblut ab. Die Puppen entwickeln sich in einem Kokon, dessen Gespinst von Detritus bedeckt ist. Nach einer bis mehreren Wochen schlüpft die Imago, welche 250 (Männchen) bzw. 300 Tage (Weibchen) lebt und bis zu 17 Monate (Xenospylla spec.) hungern kann.

- Übertragung der Pestbakterien: Eine peritrophe Membran fehlt den Flöhen, Bakterien vermehren sich im Mitteldarm und besiedeln retrograd den Proventriculus. Dessen Reuse aus Chitinlamellen wird verstopft. Dies bewirkt eine temperaturabhängige Koagulase der Bakterien, welche Fibrin erst bei 30 °C lysiert. Erneute Saugversuche des Flohs spülen Bakterien durch Regurgitation in die Stichwunde. Zuvor gibt der Floh Pestbakterien mit seinen Fäzes ab.

- Morphologie der Flöhe. Der Körper ist kompress und kann sich auch durch dichtes Haarkleid rasch hindurch schieben. Das (unterschiedliche) Sprungvermögen beruht auf einem Gelenk der 3. Coxa, das mit einem Polster aus Resilin ausgestattet ist. Die keulenförmigen Antennen liegen in lateralen Taschen des Kopfes, die Komplexaugen besitzen, wenn vorhanden, nur eine gemeinsame Linse. Der Stechapparat besteht aus dem starren Epipharynx, der das Nahrungsrohr bildet, den paarigen Lacinien als Stechborsten mit je einem Speichelkanal und den Maxillarloben mit 4gliedrigem Taster. Die Kräfte zur Penetration werden durch Kompression von Resilin gespeichert und durch die geringfügig wechselnde Stellung des Hypopharynx freigesetzt: Prinzip des Presslufthammers. Der Thorax ist sekundär flügellos, das Abdomen besteht aus 9 Gliedern, enthält beim Männchen die nach dorsal gebogenen Kopulationsorgane und trägt auf dem 8. Segment ein Sinnesfeld, das Pygidium. Beim Weibchen ist der Bau des Receptaculum seminis für die Bestimmung der Gattungen wichtig. Sie sind ferner an Strukturen von Kopf und Pronotum zu erkennen: Ctenidien, Borsten, Augen.

- Fortpflanzung: Flöhe pflanzen sich nur in Gegenwart ihrer Blutwirte fort. -- Der Hühnerfloh Echidnophaga gallinacea lebt sessil auf dem Hahnenkamm; das Männchen kopuliert bereits auf einen Wärmereiz. -- Beim Sandfloh Tunga penetrans gräbt sich das Weibchen tief in die Haut des Wirtes, Füße oder andere Körperpartien ein. Das Männchen saugt kein Blut und kopuliert kurz bevor das Weibchen ganz in der Haut verschwindet. Die Tracheen sind glatte Rören ohne die für Insekten typische Ringelung, was bei Gewebeschnitten zur histologischen Diagnose wichtig ist. -- Der Kaninchenfloh (Spilopsyllus cuniculi) synchronisiert seine Fortpflanzung exakt mit der seines Wirtes. Das Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) legt getrennte Wohn- und Brutbauten an. Seine in den Ohren sitzenden Flöhe beginnen die Eireifung sobald das Kaninchen bei der Kopulation multiple Eisprünge erfährt. Die im Blut ansteigenden Kortikosteroide werden von den Flöhen durch die Kutikula resorbiert. Sie wandern über die Schnauzenregion in das Nest, saugen auf dem ersten Wurf und legen Eier. Diese entwickeln sich rasch in dem warmen Nest und die neue Flohgeneration ist bereit zu saugen, wenn der zweite Wurf erscheint, auf dem sie verbleiben, um mit ihm das Nest zu verlassen. Die ursprüngliche Elterngeneration der Flöhe kehrt nach einer weiteren Eiablage in die Ohren des Mutterkaninchens zurück (Einzelheiten s. Abb. 4.12).

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