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2.5 Schlafkrankheit und Glossiniden
- Die menschliche Schlafkrankheit ist eine Trypanosomiasis, deren Übertragung an Glossiniden (Tsetse) gebunden ist. Sie kommt deshalb nur in Afrika vor, Madagaskar ist frei.

- Das westafrikanische Nosodem ist eine Anthroponose, der klinische Verlauf ist chronisch, Schlafsymptome treten erst nach Jahren auf. Das ostafrikanische Nosodem ist eine Zoonose, mit Antilopen als natürliches Reservoir des Erregers. Es verläuft akut, der Tod tritt plötzlich z.B. durch Herzversagen ein. Typische Schlafsymptome fehlen.

- In der Pathogenese sind zwei Stadien zu unterscheiden.
Stadium I: Hämo-lymphatische Phase. Nach der Inkubation ohne Symptome erscheint eine Primärläsion an der Eintrittspforte, d.h. wo die infektiöse Tsetse gestochen hat. Es handelt sich um eine Überempfinflichkeitsreaktion gegen Trypanosomen in der Haut. Die regionalen Lymphknoten können anschwellen und Trypanosomen erscheinen im zirkulierenden Blut; sie zeigen den Beginn der transferenten Phase an.
Stadium II. Meningo-enzephalitische Phase. Die Trypanosomen durchbrechen die Blut-Liquorschranke, erscheinen in der Zerebrospinalflüssigkeit und erzeugen Schlafsymptome, eine Intoxikation des Zentralnervensystemst.

- Klinischer Verlauf im einzelnen.
Westafrikanisches Nosodem, Erreger Trypanosoma brucei gambiense. Die Inkubation dauert über zwei Wochen, die Primärläsion ist schwach (lokales Ödem), die Patenz setzt 2-4 Wochen post infectionem (p.i.) ein, Lymphknotenschwellung nicht vor 6 Monaten p.i., das Punktat ist Trypanosomen-positiv. ZNS-Symptome erscheinen selten vor 6 Monaten p.i., manifestiert als Somnolenz, Anorexie, Marasmus, die nach 2-6 Jahren zum Tod durch Kachexie führen.
Ostafrikanisches Nosodem, Erreger T. brucei rhodesiense. Die Inkubation dauert wenige Tage, die heftige Primärläsion bildet ein Geschwür 1-2 Wochen p.i. Der Einbruch in den Liquor zerebrospinalis erfolgt schon nach wenigen Wochen, ZNS-Symptome erscheinen 3-5 Monate p.i. Die Patientem überleben selten länger als 9-12 Monate.

- Eine schützende Immunität fehlt in jedem Fall. Ohne Behandlung ist der Ausgang stets tödlich. Zur Diagnose müssen Trypanosomen mikroskopisch oder mit anderen Verfahren entweder in Lymphknoten (westafrikanisches Nosodem), oder im zirkulierendem Blut oder im Liquor nachgewiesen werden. Danach richtet sich das Vorgehen bei der Chemotherapie, welche strikte ärztlicheÜberwachung erfordert. Im Stadium I Behandlung mit Suramin (Bayer 205), Pentamidin, Berenil. Im Stadium II ist Melarsoprol und Eflornithin angezeigt. In fortgeschrittenen Fällen ist mit Defektheilungen zu rechnen.

- Die Trypanosomiasis von Haus- und Nutztieren, als Nagana bezeichnet, wird zum einen von T. brucei brucei verursacht, das Pferde, Esel, Maulesel, Hunde, Katzen und Mäuse befällt; zum andern von T. vivax und T. congolense, die Rinder, Giraffen und Antilopen, T. congolense auch Zebras, Warzenschweine und Elefanten befallen. Die Entwicklung im Vektor ist nur bei T. brucei brucei zyklisch, die übrigen werden von Glossiniden, Tabaniden und Stomoxys spec. kontaminativ übertragen.

- Die Trypanosomen der menschlichen Schlafkrankheit machen sowohl im Wirbeltierwirt als auch im Vektor einen Formwechsel durch. Alle Morphen sind begeißelt und leben ausschließlich in Körperflüssigkeiten. Die Promastigoten im Darm der Tsetse wandern nach vielfacher Zweiteilung in die Speicheldrüsen der Tsetse und verwandeln sich in Epimastigote, welche sich mit einem Flagellopodium anheften und sich als prämetazyklische und später als freie metazyklische Trypomastigote teilen. Im Warmblüter vermehren sie sich durch Zweiteilung und ein Teil der ursprünglich schlanken werden zu plumpen Formen, welche sich in einer Tsetse wieder weiter entwickeln können .

- Die Bedeckung (engl. surface coat) der Trypomastigoten besteht aus Glycoproteinen. Die im Warmblüter zuerst exprimierte Antigenspezifität wird bereits zuvor in der Vektor-Glossinide gebildet. Während der Patenz des Vertebratenwirtes wechselt die Oberflächenspezifität der zirkulierenden Trypomastigoten vielfach. Diese Antigenvarianz erzeugt eine Reihenfolge von Populationen wechselnder Antigenspezifitäten, welche als variable Antigentypen (VATs) bzw. Oberflächenproteine (VSGs) bezeichnet werden. Die entsprechenden Immunantworten werden durch sie laufend neutralisiert. Die Parasitämie wird dadurch aufrecht erhalten, dass während der erforderlichen Latenz für eine neue Spezifität die Trypanosomen der bisherigen Spezifität zirkulieren. Die Reihenfolge der VATs ist bei manchen Stämmen festgelegt, bei anderen rein zufällig.

- Tsetse besitzen drei Spezies symbiontischer Bakterien, die generativ übertragen werden. Wigglesworthia spec. lebt in den Epithelzellen (Bakteriom) des vorderen Mitteldarmes. Sodalis spec. ist ein Endosymbiont der Mitteldarmzellen, sowie der Muskeln, des Fettkörpers, der Zellen in der Hämolymphe, der Speichel- und Milchdrüsen. Beide werden kontaminativ übertragen. Wolbachia spec. befindet sich in einem Bakteriom der Ovarien und wird transovariell übertragen.

- Glossiniden sind vivipar und gebären einzelne bewegliche Vorpuppen, die sich in zwei Ovarien mit je zwei Ovariolen nacheinander entwickeln. Die nach einem Ovarialzyklus zurückbleibenden Restkörper erlauben eine genaue Altersbestimmung der paren Fliegen. Der Embryo wird zu einer ersten Larve, welche über eine Milchdrüse ernährt wird und sich im Uterus häutet bis sie abgesetzt wird. Die Vorpuppe gräbt sich in den Mulm unter Bäumen und Sträuchern ein, wonach ihr Tegument sofort aushärtet.

- Beide Geschlechter saugen Blut, die Männchen etwas weniger. Die Kopulation findet nur einmal statt und dauert Stunden. Der Stechapparat entspricht morphologisch dem Haustellum zyklorrhapher Fliegen. Das eigentliche Penetrationsorgan wird vom Labium gebildet, das als Raspel wirkt und eine Einstichtiefe von 200 Mikrometer erreichten kann.

- Der Biotop der Glossiniden muss zumindest eine lockere Bedeckung mit Gebüsch aufweisen. In der offenen Grassavanne können sich Tsetse in der Trockenzeit wegen der hohen Mittagstemperaturen und der geringen Luftfeuchte nicht halten.

- Glossiniden orientieren sich beim Anflug auf ihre Blutwirte vor allem optisch. Sie nehmen Farben und Bewegung im freien Gelände bis zu 100 m weit wahr.

- Die Bekämpfung richtet sich allein gegen die Imagines. Sie können in Fallen aus blauem und schwarzem Tuch in Massen gefangen werden. Beim Einsatz von 1 bis 2 Fallen pro km2 kann eine Tsetse-Population auf 10 bis 0,1 % einer Vergleichspopulation gesenkt werden. Neuerkrankungen der Rinder an Nagana bleiben dann praktisch aus.

- Mit Insektiziden können Tsetse an ihren Ruheplätzen auf der Unterseite von Blättern mittels Ultra-low-volume (ULV)-Technik, ausgebracht mit Hubschraubern, getroffen werden. Besprühen der Rinde von Bäumen bis 2 Meter Höhe mit langzeitig wirkenden Insektiziden vernichtet eine Population wirksam, weil die Tsetse die Risse in der Rinde benötigen, um der für sie tödlichen Mittagshitze zu entkommen. Eine biologische Kontrolle ist trotz der niedrigen Fekundität bis jetzt mit dauerhaftem Erfolg nicht gelungen. Die dazu nötige Massenzucht im Labor ist möglich, allerdings müssen bei der Fütterung mit Blut wegen der bakteriellen Symbionten sterile Kautelen eingehalten werden. Die sterile Männchen-Technik bewährte sich nur in eng begrenzten Verbreitungsgebieten mit für die Tsetse natürlichen Grenzen..

- Die menschliche Schlafkrankheit kann bei intensiver Überwachung kombiniert mit Chemotherapie aller Fälle, welche aktiv aufgespürt werden müssen, weitgehend unter Kontrolle gebracht werden. Bei politisch stabilen Verhältnissen bleibt die Inzidenz insgesamt bei etwa Zehntausend neuen Fällen pro Jahr. Die Bekämpfung der verschiedenen Trypanosomiasen der Rinder (Nagana) ist vordringlich, da sie die Eiweißversorgung der menschlichen Bevölkerung ernsthaft bedrohen.
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